Leitsatz (amtlich)
Hat statt der zuständigen Berufungskammer des Landgerichts das erstinstanzliche Amtsgericht einen Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist als unbegründet sowie dessen Berufung als unzulässig verworfen und auf sofortige Beschwerde des Angeklagten die Beschwerdekammer des Landgerichts darüber entschieden, so ist gegen den das Rechtsmittel als unbegründet verwerfenden Beschluss der Kammer sofortige Beschwerde gem. §§ 46 III, 322 II StPO statthaft; § 310 II StPO steht dem nicht entgegen.
Der Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit der Rechtsmittelgerichte beim Landgericht wirkt sich in der Beschwerdeinstanz beim Oberlandesgericht nicht aus, wenn der Senat auch dann, wenn die eigentlich zuständige Berufungskammer den angefochtenen Beschluss erlassen hätte, in gleicher Weise zur rechtlich vollständigen Überprüfung der Entscheidung berufen gewesen wäre.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 1. Strafkammer - Beschwerdekammer - des Landgerichts Mainz vom 25. August 2000 wird als unbegründet auf seine Kosten (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Mainz verurteilte den Angeklagten am 7. Februar 1996 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 45 DM. Außerdem wurde die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von sechs Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wandte sich der Angeklagte mit einem am 22. Februar 2000 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben. Darin legte er Berufung ein und erklärte, zu einer früheren Einlegung des Rechtsmittels nicht in der Lage gewesen zu sein, da er weder lesen noch schreiben könne und nicht belehrt worden sei.
Das Amtsgericht sah darin neben dem Rechtsmittel der Berufung einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist. Mit Beschluss vom 30. Mai 2000 verwarf es den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet und die Berufung wegen Verspätung als unzulässig. Die Verwerfung der Wiedereinsetzung hat es damit begründet, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung über die möglichen Rechtsmittel belehrt und für ihn ein Dolmetscher hinzugezogen worden sei.
Das dagegen eingelegte Rechtsmittel des Angeklagten hat die Beschwerdekammer des Landgerichts als sofortige Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gewertet und diese mit Beschluss vom 25. August 2000 als unbegründet verworfen.
Gegen diesen ihm formlos übersandten Beschluss hat der Angeklagte am 21. September 2000 abermals Beschwerde eingelegt. Zur Begründung seines Begehrens bringt er nunmehr weiter vor, den in der Hauptverhandlung eingesetzten Dolmetscher nicht verstanden zu haben.
II.
Die Beschwerde des Angeklagten ist gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerde zum einen gegen die Verwerfung seiner Berufung ohne Hauptverhandlung gemäß § 322 Abs. 2 StPO, zum anderen gegen die Verwerfung seines Wiedereinsetzungsantrags gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist gemäß § 46 Abs. 3 StPO auszulegen. § 310 StPO, der eine weitere Beschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts grundsätzlich ausschließt, steht dem nicht entgegen.
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dessen Zulässigkeit und Begründetheit im Einzelnen wie folgt Stellung genommen:
"1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist insbesondere nicht nach § 310 Abs. 2 StPO unstatthaft, obwohl der angefochtene Beschluss weder Verhaftung noch einstweilige Unterbringung betrifft. Denn er ist nicht im Sinne der genannten Vorschrift auf eine Beschwerde hin ergangen (OLG Frankfurt, NJW 80, 1808; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. . a0. , § 310 Rdnr. 2).
Zur Entscheidung über die am 22. 02. 2000 eingegangene Eingabe des Verurteilten, die von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht gemäß § 300 StPO als eine mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene Berufung angesehen wurde, war das Berufungsgericht, also eine kleine Strafkammer des Landgerichts berufen, § 46 Abs. 1 StPO (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. , § 346 Rdnr. 16). Zwar ist nach § 319 Abs. 1 StPO bereits das Gericht des 1. Rechtszuges gehalten, ein verspätet eingelegtes Rechtsmittel zu verwerfen. Vorliegend war die Berufung des Verurteilten jedoch mit einem Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Einlegungsfrist verbunden. Deshalb war nicht mehr das Amtsgericht, sondern eine kleine Kammer des Landgerichts Mainz sowohl für die Entscheidung über die Wiedereinesetzung als auch über die Berufung zuständig. Das Amtsgericht hätte die Akte deshalb unter Vermittlung der Staatsanwaltschaft einer kleinen Strafkammer des Landgerichts Mainz vorlegen müssen. Diese hätte im Falle der Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 322 Abs. 1 StPO durch einen der sofortigen Beschwerde unterliegenden (§ 322 Abs. 2 StPO) Beschluss über die - somit unzulässige - Berufung befinden müssen. Dass der Veru...