Leitsatz (amtlich)

Die Vermutungswirkung des § 1006 Abs. 1 BGB greift nicht, wenn der unmittelbare Eigenbesitzer das Eigentum nicht gleichzeitig mit dem Besitz, sondern schon früher oder erst später erworben haben will.

In der Verweigerung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht des früher mandatierten Rechtsanwalts wegen Ankündigung einer "die wirklichen Fakten transparent" machenden Aussage ist keine zu missbilligende Beweisvereitelung zu sehen.

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Urteil vom 18.12.2015; Aktenzeichen 4 O 34/15)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 18.12.2015 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen

Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu den Hinweisen des Senats bis zum 4.4.2016 Stellung zu nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.

Die Berufungserwiderungsfrist wird bis zum 25.4.2016 erstreckt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten wechselseitig über einen Anspruch auf Zustimmung zur Herausgabe des hinterlegten Kfz-Briefes für einen Tieflader.

Die Parteien waren verheiratet, lebten seit 2009 getrennt und sind zwischenzeitlich geschieden. Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer der B.-GmbH, die im Jahr 2001 in Insolvenz fiel. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums D. vom 4.2.2000 wurde dem Beklagten die Führung eines Gewerbes untersagt. Im Jahr 2001 erfolgte eine Fortführung der gewerblichen Tätigkeit in dem nicht eingetragenen Einzelunternehmen "E. Dienstleistungen", wobei beide Parteien innerhalb dieses Unternehmens betriebliche Aktivitäten entfalteten.

Am 30.4.2004 erteilte die F. GmbH der Firma E. Dienstleistungen eine Auftragsbestätigung zum Erwerb eines Tiefladers (Anlage K3; Bl. 9 GA). Die Auftragsbestätigung sah einen Eigentumsvorbehalt bis zur restlosen Bezahlung des Kaufpreises vor. Zudem sollte der Kfz-Brief nach Zulassung bei der Firma F. verbleiben und nach Restzahlung automatisch ausgehändigt werden. In dem Kfz-Brief wurde die Klägerin eingetragen. Trotz unvollständiger Kaufpreiszahlung wurde zur Zulassung des Tiefladers der Kfz-Brief ausgehändigt und gelangte anschließend nicht zur F. GmbH zurück.

Der Kfz-Brief wurde anschließend vom Beklagten an die Firma S. GmbH zur Absicherung einer weiteren Kaufpreisforderung übergeben. Die Klägerin erstritt als Inhaberin der Firma E. Dienstleistungen vor dem LG Wiesbaden ein Teilanerkenntnisurteil gegen die Firma S. GmbH zur Herausgabe des Fahrzeugbriefs Zug um Zug gegen Zahlung von 6.390,10 EUR, wobei die prozessuale Vertretung der Klägerin durch die Rechtsanwälte Dr. S. erfolgte. Die S. GmbH gab den Fahrzeugbrief für den Tieflader nicht an die Klägerin, sondern an die F. GmbH heraus, die daraufhin die Herausgabe von der Zahlung des Restkaufpreises für den Tieflader abhängig machte. Der Beklagte veräußerte in der Folge den Tieflader zu einem Kaufpreis von 15.000,00 EUR an St., der zunächst den Restkaufpreis von 3.000,00 EUR bei der F. GmbH ablöste. Daraufhin gab letztere den Fahrzeugbrief an den vom Beklagten als Treuhänder benannten J. heraus. Dieser hinterlegte am 11.8.2014 den Fahrzeugbrief beim AG Hamm.

Der Tieflader befindet sich seit der Trennung im Besitz des Beklagten.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, sie habe mit der Zahlung des Restkaufpreises an die F. GmbH Eigentum an dem Tieflader erworben, da die Einzelfirma E. Dienstleistungen von ihr gegründet worden sei. Der Beklagte hat dem entgegengehalten, zwischen ihm und der Klägerin sei vereinbart gewesen, dass sämtliche Geschäfte der E. Dienstleistungen ihm zuzurechnen seien. Daher habe auch das gesamte Firmenvermögen ihm gehören sollen. Lediglich ein Ford Focus sei hiervon ausgenommen gewesen. Er sei daher Vertragspartner der F. GmbH gewesen und habe bereits im Jahr 2004, spätestens aber mit der Zahlung des Kaufpreises und der Übersendung des Kfz-Briefes an den von ihm benannten Treuhänder Eigentum erworben. Im Übrigen spreche der jahrelange und noch andauernde Besitz an dem Tieflader dafür, dass er "entsprechend § 1006 BGB Eigentümer des Fahrzeugs geworden" sei.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Klage- und Widerklageanträge auf Zustimmung zur Herausgabe des beim AG Hamm hinterlegten Fahrzeugbriefs wird auf die angefochtene Entscheidung vom 18.12.2015 (Bl. 120 ff. GA) verwiesen.

Das LG hat den Beklagten zur Zustimmung der Freigabe des Fahrzeugbriefs an die Klägerin verurteilt sowie seine entsprechende Widerklage abgewiesen und zur Begründung darauf verwiesen, die Klägerin sei mit der Zahlung des Restkaufpreises von 3.000,00 EUR durch St. an die F. GmbH Eigentümerin des Tiefladers geworden. Sie sei als Inhaberin der Firma E. Dienstleistungen Vertragspartner der F. GmbH gewesen, weshalb davon auszugehen sei, dass diese ihre vertragliche Pflicht au...

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