Leitsatz (amtlich)

Auch bei einer Verurteilung zu künftig fällig werdenden Leistungen kann nur dann gem. § 524 Abs. 2 S. 3 ZPO unbefristet Anschlussberufung eingelegt werden, wenn diese auf eine Änderung der Verhältnisse gestützt wird, die erst während des Berufungsverfahrens eingetreten ist und innerhalb der Frist nicht mehr geltend gemacht werden konnte. Wird mit der Anschlussberufung hingegen nur eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Gerichts erster Instanz rügt, ist die Anschlussberufung, auch wenn sie eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen nach § 323 ZPO zum Gegenstand hat, lediglich bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig.

 

Verfahrensgang

AG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 9 F 765/05)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

... Prozesskostenhilfe für die Anschlussberufung kann aber auch deshalb nicht bewilligt werden, weil es insoweit an der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt (§§ 525, 114 ZPO). Die Anschlussberufung ist unzulässig, weil verspätet eingelegt.

Nach § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die Anschließung nur zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Der Klägerin war eine Frist zur Berufungserwiderung bis zum 22.5.2007 gesetzt, die Anschlussberufung ging erst am 25.5.2007 und damit nach Ablauf dieser Frist beim Senat ein.

Die Ausnahmeregelung des § 524 Abs. 2 S. 3 ZPO, wonach die vorgenannte Frist nicht gilt, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323 ZPO) zum Gegenstand hat, greift im vorliegenden Fall nicht ein. Hierbei mag dahinstehen, ob die angegriffene Entscheidung, die einen Unterhaltsbetrag für einen abgelaufenen Zeitraum in einer Summe ausurteilt, eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen in diesem Sinne zum Gegenstand hat. Die Anwendbarkeit der Vorschrift scheitert jedenfalls daran, dass die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung keine Änderung der für die Verurteilung maßgebenden Verhältnisse geltend macht sondern lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Gerichts erster Instanz rügt. Die insoweit in ihrem Wortlaut nicht ganz eindeutige Bestimmung des § 524 Abs. 2 S. 3 ZPO ist nämlich dahingehend zu verstehen, dass die Anschließungsfrist nur dann nicht gelten soll, wenn die der Anschlussberufung zugrunde gelegten Umstände erst während des Berufungs-verfahrens eingetreten sind und innerhalb der Frist nicht mehr geltend gemacht werden konnten (so auch Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 524, Rz. 11; Born, Anschluss-berufung und Monatsfrist - sind alle Unklarheiten beseitigt?, NJW 2005, 3038 ff., 3040; Knauer, Wolf: Zivilprozessuale und strafprozessuale Änderungen durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz - Teil 1: Änderungen der ZPO, NJW 2004, 2857 ff., 2863; Fölsch, ZPO - Änderungen durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz, MDR 2004, 1029 ff., 1033; wohl auch Sänger/Wöstmann, ZPO, § 524, Rz. 8; unklar Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 524, Rz. 10). Dies folgt zum Einen daraus, dass nicht generell auf § 258 ZPO (Klage auf wiederkehrende Leistungen) verwiesen wird, sondern auf § 323 ZPO, der die Zulässigkeit einer Abänderungsklage an eine wesentliche Änderung der seinerzeit maßgebenden Verhältnisse knüpft, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. Born, a.a.O.). Zum Anderen folgt dieses Verständnis aus der Entstehungsgeschichte und der Begründung der durch das Justizmodernisierungsgesetz zum 1.9.2004 in die ZPO eingefügten Neuregelung. Bis zum 31.12.2001 galt für die Anschlussberufung keine Frist, so dass diese generell bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingelegt werden konnte. Durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene ZPO-Reformgesetz wurde zur Beschleunigung und Straffung des Berufungsverfahrens für die Anschlussberufung eine nicht verlängerbare Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung vorgesehen, wodurch die Geltendmachung einer nach Ablauf dieser Frist eintretenden Veränderung der Verhältnisse im Berufungsverfahren ausgeschlossen war. Auf die gegen diese starre Regelung vielfach geäußerte Kritik (vgl. z.B. Born, FamRZ 2003, 1245 ff., 1248; zu "Reparatur"-Versuchen der Rechtsprechung vgl. OLG Zweibrücken v. 19.9.2003 - 5 UF 200/02, MDR 2004, 454 = OLGReport Zweibrücken 2004, 15 = FamRZ 2004, 554) hat der Gesetzgeber im Justizmodernisierungsgesetz mit der jetzt geltenden Neufassung des § 524 ZPO reagiert. In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages ist zur Begründung dieser Gesetzesänderung ausgeführt (BT-Drucks. 15, 3482, S. 18):

"... für solche Anschlussberufungen..., die eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen gem. § 323 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand haben,... entspricht es der Prozessökonomie, wesentliche Änderun...

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