Leitsatz (amtlich)
1. Eine Untreue in Form des Missbrauchstatbestands bleibt möglich, solange eine im Innenverhältnis erloschene Bankvollmacht nach außen fortwirkt.
2. Macht der Bevollmächtigte nach Beendigung des zugrunde liegenden Auftragsverhältnisses von seiner durch Vollmacht verliehenen Herrschaftsposition weiter Gebrauch, obliegt ihm weiterhin eine Vermögensbetreuungspflicht insoweit, als er Schädigungen des Vollmachtgebers zu unterlassen hat.
3. Die Fehlvorstellung, Zahlungsansprüche gegenüber dem Geschädigten zu besitzen, lässt den Untreuevorsatz nicht entfallen.
Verfahrensgang
LG Mainz (Entscheidung vom 01.02.2011) |
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 1. Februar 2011 wird als offensichtlich unbegründet verworfen.
Die Angeklagte trägt die Kosten der Revision (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO).
Gründe
I. Nach Freispruch der Angeklagten in erster Instanz hat das Landgericht sie auf Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.
Nach den Feststellungen der Kammer erledigte die Angeklagte ab dem Jahr 2001 in der Kanzlei eines Rechtsanwalts, mit dem sie eine private Beziehung unterhielt, stundenweise und unentgeltlich Buchführungsarbeiten. Der Rechtsanwalt erteilte ihr im Jahr 2003 Vollmacht für ein Bankkonto, das als Geschäfts- und Privatkonto diente und innerhalb eines bestehenden Kreditlimits ständig im Soll geführt wurde. Die Vollmacht sollte die Angeklagte in die Lage versetzen, bei Abwesenheit des Rechtsanwalts Verfügungen für die Kanzlei zu tätigen. Davon machte sie in der Zeit ihrer Tätigkeit fast nie Gebrauch, so dass die Vollmacht beim Vollmachtgeber im Laufe der Jahre in Vergessenheit geriet. Als die private Beziehung im Jahr 2007 endete, stellte die Angeklagte auch ihre Tätigkeit für die Kanzlei ein. Die Vollmacht behielt sie jedoch weiter und nutzte sie, indem sie die Kontobewegungen verfolgte und am 21. November 2008 von dem Bankkonto ca. 17.000 Euro auf ein eigenes Konto überwies, nachdem sie Zahlungseingänge festgestellt hatte, die eine solche Abhebung ermöglichten. Einen Anspruch auf das Geld hatte sie nicht.
Hiergegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie ist der Auffassung, der Untreuetatbestand sei nicht erfüllt. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II. Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).
1.) Das Landgericht hat die Angeklagte zu Recht wegen Untreue verurteilt.
a) Erfüllt ist nicht, wie die Strafkammer angenommen hat, der Treubruchtatbestand, sondern der Missbrauchstatbestand der Untreue gem. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Denn der Angeklagten war durch die ihr vom Geschädigten erteilte Bankvollmacht die Befugnis eingeräumt, über fremdes Vermögen zu verfügen (vgl. Fischer, StGB, § 266 Rdn. 18). Ihrer Täterstellung steht nicht entgegen, dass bei Gebrauch der Vollmacht das zugrunde liegende Auftragsverhältnis beendet und damit auch die Vollmacht im Innenverhältnis erloschen war. Ein Missbrauch der rechtsgeschäftlich begründeten Verfügungsbefugnis bleibt möglich, solange die Vollmacht im Außenverhältnis, wie hier gegenüber der Bank, gem. § 170 BGB fortwirkt (Fischer aaO. Rdn. 20; Perron in Schönke/Schröder, StGB, § 266 Rdn. 4; Schünemann in Leipziger Kommentar, StGB, § 266 Rdn. 41, jeweils m.w.N.; OLG Stuttgart NStZ 1985, 365, 366).
b) Die Angeklagte hatte aufgrund der erteilten Vollmacht die Vermögensinteressen desjenigen, über dessen Vermögen ihr Rechtsmacht eingeräumt war, wahrzunehmen. Eine solche Betreuungspflicht ist nicht nur Bestandteil des Treubruchtatbestands, sondern muss, wie sich aus dem Nachsatz des § 266 Abs. 1 StGB ergibt, auch in der Person des Täters des Missbrauchstatbestands bestehen, so dass allein eine Sonderbeziehung zu dem fremdem Vermögen, die sich in der Befugnis erschöpft, über dieses zu verfügen, nicht ausreicht (Fischer aaO. Rdn. 21; Perron aaO. Rdn. 11).
aa) Über die qualitativen Anforderungen an die Betreuungspflicht im Rahmen des Missbrauchstatbestands besteht in Literatur und Rechtsprechung Uneinigkeit. Während die herrschende Meinung sie mit der Vermögensbetreuungspflicht des Treubruchtatbestands gleichsetzt (vgl. BGHSt 24, 386, 387; 33, 244, 250; Fischer aaO. Rdn. 21, 22 m.w.N.), also wie dort eine kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses bestehende und besonders hervorgehobene Pflicht zur Vermögensbetreuung verlangt, die dem Täter innerhalb eines nicht ganz unbedeutenden, mit eigenem Entscheidungsspielraum ausgestatteten Pflichtenkreis eine fremdnützige Vermögensfürsorge im Interesse des Vermögensinhabers auferlegt, wird teilweise eine eingeschränkte Betreuungspflicht für ausreichend erachtet, wonach es ge...