Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung zwischen einem nach § 8 JEVG zu vergütenden Sachverständigen und einem nach § 19 JEVG zu entschädigenden Zeugen.
Normenkette
JEVG § 8; JEVG § 19
Verfahrensgang
Gründe
Der Senat hatte Dr. H. H. zu dem Termin vom 28.5.2014 als sachverständigen Zeugen geladen, weil dieser das betroffene Kind als Psychiater ambulant behandelt hat. Dr. H. ist der Auffassung, er sei als Sachverständiger gem §§ 8 ff. JVEG zu vergüten, weil er bei seiner Anhörung Fragen beantwortet habe, die eine sachverständige Beurteilung beinhaltet haben. Er beanspucht eine Vergütung für 5,5 Stunden á 85 EUR - bzw. in einem späteren Schreiben 2 Stunden für die An- und Abfahrt á 85 EUR und 3,5 Stunden i.H.v. je 100 EUR - sowie eine Wegstreckenentschädigung von insgesamt 123 km.
Der Festsetzungsantrag ist nach § 4 Abs. 1 JVEG zulässig. Zuständig für die Festsetzung ist das Gericht, welches den Zeugen herangezogen hat. Das ist hier das OLG. Der Senat hat die Anhörung der das Kind behandelnden Therapeuten Dr. H. und S. neben der hinzugezogenen Sachverständigen Dr. P. zur Vorbereitung der zu treffenden Sorgeentscheidung angeordnet. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch den Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 JVEG).
Dr. H. ist als Sachverständiger zu vergüten. Die Vergütung ist antragsgemäß auf 538 EUR festzusetzen.
Für die Abgrenzung zwischen Sachverständigen und sachverständigen Zeugen und damit für die Frage, ob ein Berechtigter nach § 8 JEVG zu vergüten oder nach § 19 JEVG zu entschädigen ist, kommt es in einer mündlichen Verhandlung/Anhörung nach einhelliger Meinung nicht auf den Inhalt der Ladung sondern auf die tatsächliche Art der Heranziehung an (Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, JVEG, 3. Aufl., § 8 JVEG Rz. 1 mit weiteren Nachweisen). Der sachverständige Zeuge bekundet sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag wahrgenommen hat. Er ist insoweit nicht ersetzbar. Demgegenüber begutachtet der Sachverständige aufgrund seiner besonderen Sachkunde auf einem Fachgebiet als Gehilfe des Gerichts einen von diesem festzustellenden Sachverhalt. Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht besondere Erfahrungssätze oder Kenntnisse des jeweiligen Fachgebietes zu vermitteln oder aufgrund von besonderen Erfahrungssätzen oder Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen. Er ist in dieser Funktion grundsätzlich austauschbar (BVerwG, NJW 2012, 1307; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. § 19 JVEG Rz. 4 mit weiteren Nachweisen). Die Abgrenzung ist im Einzelfall manchmal schwierig, insbesondere wenn der sachverständige Zeuge über die Ursache und Wirkung der wahrgenommen Krankheit Rückschlüsse mitteilt. Gegebenenfalls muss eine gesonderte Sachverständigenvergütung neben einer Zeugenvergütung festgesetzt werden, wenn sich die Zeiten der Vernehmung als Zeuge von den Zeiten der Sachverständigenvernehmmung trennen lassen. Ist dies nicht möglich, muss nach - soweit ersichtlich - einhelliger Auffassung die gesamte Zeit wie ein Sachverständiger vergütet werden (vgl. die Nachweise bei Binz u.a., a.a.O., Rz. 2).
Von diesen Voraussetzungen ausgehend, ist Dr. H. hier als Sachverständiger zu entschädigen. Dr. H. hat bei seiner Anhörung zwar zunächst seine Diagnose und den Behandlungsverlauf beschrieben, sodann jedoch ausführlich seine Einschätzung der auch für die Entscheidungsfindung relevanten Frage dargelegt und begründet, warum aus therapeutischer Sicht ein Wechsel des Kindes in die Obhut des Vaters nicht dem Kindeswohl entspreche. Diese prognostischen, auf seine Kenntnis als Facharzt für Kinderpsychiatrie gestützten Ausführungen nahmen den ganz überwiegenden Teil seiner Anhörung ein, wobei die sachverständigen Ausführungen hier von den sonstigen Bekundungen nicht zu trennen sind. Dr. H. wurde auch von allen Verfahrensbeteiligten mit Fragestellungen konfrontiert, die nur ein Sachverständiger beantworten kann, wie aus dem Vermerk über seine Anhörung hervorgeht. Schließlich hat der Senat seine sachverständige Einschätzung der Frage, ob ein erzwungener Wechsel des Kindes von der Mutter zum Vater dem Kind schaden werde bei der Entscheidung auch berücksichtigt.
Für die Höhe des Honorars ist die Vergütungsstufe M3 angemessen. Der Schwierigkeitsgrad der gutachtlichen Äußerungen entspricht den in der Gruppe M3 beschriebenen Fällen. Das geltend gemachte Honorar von 520 EUR (ohne Fahrtkosten) ist daher nicht zu beanstanden. Die in Rechnung gestellten Fahrtkosten sind nach § 5 Abs. 2 JVEG ebenfalls zu erstatten.
Fundstellen
FamRZ 2015, 786 |
MDR 2014, 1296 |
NZFam 2014, 1148 |
PAK 2015, 19 |