Leitsatz (amtlich)
Bezieht der ausgleichspflichtige Ehegatte bei Rechtskraft der Scheidung aus der auszugleichenden Versorgung bereits eine Rentenleistung, hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte im Fall der später eintretenden Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich (gegen OLG Dresden FamRZ 2014, 1204).
Normenkette
VersAusglG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 2, § 30; BGB §§ 812 ff.; FamFG § 224
Verfahrensgang
AG Bad Neuenahr-Ahrweiler (Beschluss vom 01.09.2016) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 01.09.2016 teilweise abgeändert und ihr für ihren Antrag vom 31.01.2015 insgesamt Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Rechtsanwalt W. wird ihr auch insoweit zur Vertretung beigeordnet.
Gründe
Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Eheleute (Scheidungsbeschluss vom... 2014, rechtskräftig seit... 2014). Die Folgesache Versorgungsausgleich war abgetrennt worden. Über diese entschied das Familiengericht durch Beschluss vom 05.09.2014, rechtskräftig seit dem 14.10.2014. Ab dem 01.11.2014 wurde der Antragstellerin nach Durchführung des Versorgungsausgleichs eine höhere Rente gezahlt. Mit ihrem Antrag verlangt die frühere Ehefrau von dem früheren Ehemann einen Ausgleich dafür, dass dieser in der Zeit ab dem 1. des Monats nach Zustellung des Scheidungsantrags (... 2013) bis zum 01.11.2014 seine ungekürzte Rente erhielt. Für diesen Antrag begehrt sie Verfahrenskostenhilfe. Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss Verfahrenskostenhilfe nur insoweit bewilligt, als der Antragsgegner im Oktober 2014 eine ungekürzte Rente erhielt.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Familiengerichts. Der Antrag wird aus den zutreffenden Gründen der Entscheidung abzuweisen sein. § 30 Abs. 1 und 2 VersAusglG ist eine Vorschrift, die den Versorgungsträger vor doppelter Inanspruchnahme für den Fall schützt, dass beide vormalige Eheleute bei Rechtskraft der Entscheidung bereits rentenleistungsberechtigt sind. Für eine Übergangszeit kann der der Rentenversicherungsträger die ungekürzte Rente noch an den Ausgleichsverpflichteten auszahlen, ohne Regressansprüchen des Ausgleichsberechtigten ausgesetzt zu sein. Diese Übergangszeit wird gem. § 30 Abs. 2 VersAusglG durch den Zeitpunkt der Rechtskraft (Wirksamkeit) der Entscheidung über den Wertausgleich und den Zeitpunkt der Kenntnis des Versorgungsträgers von der Rechtskraft dieser Entscheidung definiert. § 30 Abs. 3 VersAusglG bezieht sich nach seinem Wortlaut und Sinn ausschließlich klarstellend auf § 30 Abs. 1 und 2 VersAusglG. Die Vorschrift stellt klar, dass der Ausgleichsverpflichtete in dieser Übergangszeit Bereicherungsansprüchen nach §§ 812 ff. BGB ausgesetzt ist. Für den Zeitraum der Zustellung des Scheidungsantrags und der Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung kann die Zahlung einer ungekürzten Rente keinen Bereicherungsanspruch auslösen, weil der Rentenversicherungsträger die ungekürzte Rente zu Recht an den Inhaber des Rentenanspruchs zahlt. Denn wirksam wird die rechtsgestaltende (§ 10 VersAusglG) Entscheidung über den Versorgungsausgleich erst mit Rechtskraft der Entscheidung (§ 224 FamFG).
Zwar bestimmt sich der Ehezeitanteil für die Berechnung der auszugleichenden Versorgungsanrechte durch das Ende der Ehezeit (§ 5 Abs. 2 VersAusglG), also nach § 3 Abs. 1 VersAusglG. Hieraus folgt aber nicht, dass dem Ausgleichsberechtigten für den Zeitraum zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung ein Bereicherungsanspruch zusteht. Denn dieser setzt nach §§ 812 ff BGB immer einen fehlenden rechtlichen Grund für die Bereicherung voraus. Dieser ist aber nicht rückwirkend entfallen. Die gestaltende Versorgungsausgleichsentscheidung wirkt anders als bei einer Abänderungsentscheidung, für die insoweit in § 225 FamFG die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung ausdrücklich angeordnet ist, nicht rückwirkend. § 5 Abs. 2 VersAusglG bestimmt nur, in welcher Höhe die Anrechte zu teilen sind; daraus folgt nicht, dass ab Ehezeitende im Verhältnis zu dem Ausgleichsverpflichtetem dem Ausgleichsberechtigten ein Teil der Versorgung des Verpflichteten zusteht. Zahlungspflichten werden diesbezüglich allein durch das Unterhaltsrecht begründet.
Gleichwohl sieht sich der Senat verpflichtet, der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, weil das OLG Dresden einen identischen Sachverhalt in einer Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe anders beurteilt (OLG Dresden FamRZ 2014, 1204 mit ablehnender Anm. Borth). Die Rechtsfrage ist daher als schwierig zu bewerten, was nach der Rechtsprechung des BVerfG zur Folge hat, dass über sie nicht im Verfahren über die Verfahrenskostenhil...