Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsneubeginn bei mehreren Forderungen und Abschlagszahlungen ohne konkrete Zuordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Für einen Neubeginn der Verjährung genügt jedes auch rein tatsächliche Verhalten des Schuldners ggü. dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs - zumindest dem Grunde nach - ergibt und dass deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Fristablauf auf Verjährung berufen wird.
2. Macht der Gläubiger mehrerer offener Forderungen die Belieferung mit Neuware davon abhängig, dass der Schuldner zu jeder neuen Rechnung auch einen Abschlag auf die alten Verbindlichkeiten leistet, führen diese Abschlagszahlungen nicht zu einem sämtliche Altforderungen erfassenden Neubeginn der Verjährung. Mangels Tilgungsbestimmung des Schuldners sind die Abschlagszahlungen nach Maßgabe des § 366 Abs. 2 BGB den Altverbindlichkeiten zuzuordnen.
Normenkette
BGB § 212 Abs. 1, § 366 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 10 HK. O 157/06) |
Tenor
In Sachen Klägerin und Berufungsklägerin gegen Beklagter und Berufungsbeklagter wegen Kaufpreisforderungen weist der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz die Klägerin darauf hin, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Gründe
Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kaufpreisforderungen der Klägerin aus den Jahren 2000 und 2001 sind verjährt. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.
1. Die Klägerin beansprucht die Bezahlung von Waren, die in den Jahren 2000 und 2001 geliefert und - beginnend mit Datum vom 29.8.2000 - berechnet wurden.
Ausweislich einer Forderungsaufstellung der Klägerin vom 19.9.2003 bestand allerdings unmittelbar vor dem 29.8.2000 bereits ein offener Saldo von 4.613,53 EUR aus drei Warenlieferungen im Zeitraum vom 22. bis 28.8.2000 (Rechnungen Nr. 647495, 647653 und 647790).
Das LG hat ggü. den streitgegenständlichen Rechnungen ab 29.8.2000 bis Ende 2001 (Gesamtumfang: 41.628,45 EUR) die Verjährungseinrede des Beklagten durchgreifen lassen.
2. Mit ihrem Rechtsmittel beruft die Klägerin sich auf einen Neubeginn der Verjährung durch Abschlagszahlungen des Beklagten beginnend am 4.6.2003 und endend am 30.6.2005 (§ 212 BGB). Die Klägerin meint, diese sämtliche rechtshängigen Forderungen aus den Jahren 2000 und 2001 erfassenden Abschlagszahlungen im Gesamtumfang von 5.524,94 EUR hätten die Verjährung jeweils insgesamt neu beginnen lassen.
3. Der Beklagte verteidigt die angefochten Entscheidung mit Rechtsausführungen und bestreitet das neue tatsächliche Vorbringen der Berufung. Er meint, es sei aus prozessualen Gründen unbeachtlich.
4. Ob das zutrifft und zur Zurückweisung der Berufung führen muss, kann indes dahinstehen.
5. Das Rechtsmittel ist nämlich selbst dann unbegründet, wenn man das Berufungsvorbringen der Klägerin zugrunde legt.
a) Danach wurde die Weiterbelieferung ab Juni 2003 davon abhängig gemacht, dass der Beklagte auf die Beträge der neuen Rechnungen jeweils Zuschläge, meist zwischen 25 EUR und 100 EUR zahlte. Diese Zuschläge dienten der Rückführung der Altverbindlichkeiten. In der Zahlung der Zuschläge sieht die Klägerin Abschlagszahlungen, die den Tatbestand des § 212 BGB erfüllen und vermeintlich alle Forderungen erfassen, die Gegen- stand der Klage sind.
Das wäre jedoch nur dann richtig, wenn die Rechnungen ab Juni 2003 neben der Rechnungsnummer und dem Kaufpreis für die Neulieferung auch eine konkrete Bestimmung des jeweiligen Zuschlags für eine bestimmte Altrechnung enthalten hätten. Nur in der Zahlung des Beklagten auf eine derart spezifizierte Rechnung könnte eine den jeweiligen Altanspruch betreffende Abschlagszahlung i.S.v. § 212 BGB gesehen werden.
Indem die Klägerin stattdessen unspezifiziert Zuschläge für Altansprüche berechnete und von der Begleichung dieser Zuschläge die Weiterbelieferung mit Neuware abhängig machte, trat mangels Tilgungsbestimmung des Beklagten die Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB ein, wonach die jeweilige Teilzahlung die älteste Schuld tilgte. Demzufolge konnte jede Teilzahlung auch nur einen Neubeginn der Verjährung jener ältesten Schuld herbeiführen, auf die sie sich bezog.
Alles spricht dafür, dass die Klägerin dies ursprünglich selbst so gesehen und gehandhabt hat. Der ersten streitgegenständlichen Rechnung vom 29.8.2000 über 1.128,49 EUR waren im August 2000 drei weitere unbezahlte Rechnungen über insgesamt 4.613,35 EUR vorausgegangen (Nr. 647495, 647653 und 647790). Das entnimmt der Senat der Forderungsaufstellung der Klägerin vom 19.9.2003, die dem Entwurf der Ratenzahlungsvereinbarung vom selben Tag beigefügt war. Dass der Beklagte jene 4.613,35 EUR anders als durch Begleichung der Zuschläge bei den Neurechnungen tilgte, ist ausgeschlossen. Die Berufung gesteht ausdrücklich zu, dass diese drei Rechnungen mit den vom Beklagten ab Juni 2003 geleisteten Zuschlägen getilgt wurden.
Bei dieser Sachlage kann die ...