Leitsatz (amtlich)
1. Unterhaltspflichten gegenüber weiteren Unterhaltsberechtigten beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners solange nicht, als er keinerlei Zahlungen an die weiteren Unterhaltsberechtigten leistet oder deren Unterhaltsansprüche nicht zumindest tituliert sind (Anschluss an: OLG Hamm FamRZ 1995, 1488).
2. Erweist sich der zeitlich zuerst titulierte Unterhaltsanspruch aufgrund eines später titulierten Unterhalts eines weiteren Unterhaltsberechtigten als zu hoch, ist der Unterhaltsschuldner auf ein Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG zu verweisen.
3. Allein der Umstand, dass ein Abänderungsverfahren der Zeitschranke des § 238 Abs. 3 FamFG unterliegt, rechtfertigt es nicht, Ansprüche gleichrangiger weiterer Unterhaltsberechtigter schon dann zu berücksichtigten, sobald diese auch nur geltend gemacht werden (gegen: OLG Rostock FuR 2018, 46 und OLG Brandenburg [10. ZivS.] NZFam 2018, 224).
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2, §§ 1609, 1613 Abs. 1; FamFG § 238 Abs. 3
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuwied vom 08.01.2018 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.049 EUR festgesetzt.
3. Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist die Mutter des am 23.01.2011 geborenen Antragstellers. Dieser lebt bei seinem Vater und nimmt die Antragsgegnerin auf Zahlung von Mindestkindesunterhalt ab 01.02.2017 in Anspruch, nachdem diese zunächst mit Schreiben vom 30.01.2017 vergeblich außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert wurde. Der Antragsteller bezieht Leistungen nach dem UVG; insoweit liegt eine Rückabtretungserklärung vor. Die Antragsgegnerin hat noch eine ebenfalls minderjährige Tochter M., geb. 06.03.2001, aus einer anderen Beziehung. An diese erbringt die Antragsgegnerin keine Unterhaltszahlungen, wird jedoch von M. ebenfalls gerichtlich in Anspruch genommen (Amtsgericht - Familiengericht - Neuwied Az. 25 F 129/17).
....
Das Familiengericht hat die Antragsgegnerin zur Zahlung des geforderten Mindestkindesunterhalts als leistungsfähig angesehen. Denn aufgrund ihrer gesteigerten Unterhaltspflicht treffe die Antragsgegnerin die Pflicht, sich um eine Nebentätigkeit (z.B. einen Minijob) zu bemühen. Dies habe die Antragsgegnerin nicht getan und soweit sie vorträgt, dass ihr die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung nicht zumutbar sei, sei ihr Vorbringen unzureichend. ...
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. ... Eine Ausweitung der beruflichen Tätigkeit würde den Gesundheitszustand der Antragsgegnerin verschlechtern und somit das jetzige Erwerbseinkommen gefährden. .... Auch daher sowie im Hinblick auf den Umgang mit ihren beiden, in verschiedenen Haushalten lebenden Kindern, scheide eine Nebentätigkeit aus. Darüber hinaus sei bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht erörtert worden, dass angesichts der zwei minderjährigen Kindern gegenüber bestehenden Barunterhaltspflicht auch bei Aufnahme einer Nebentätigkeit jedenfalls eine Mangelfallberechnung durchzuführen wäre. ...
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II. Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff., 117 FamFG statthaft sowie zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Von einer Leistungsunfähigkeit der Antragsgegnerin kann nicht ausgegangen werden.
1. Unstreitig unterliegt die Antragsgegnerin hier gemäß § 1603 Abs. 2 BGB einer gesteigerten Unterhaltspflicht. Diese abverlangt ihr besonders starke Anstrengungen und erhebliche Entbehrungen, um den Mindestkindesunterhalt des Antragstellers sicher zu stellen. Dass sie gemessen an diesen Anforderungen den zuerkannten Unterhalt nicht zahlen kann, hat die Beschwerde nicht ausreichend dargetan.
2. ...
3. Das Familiengericht hat auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung vom 15.03.2018 zutreffend darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin durch eine Nebentätigkeit im geringfügigen Beschäftigungsbereich den Mindestkindesunterhalt des Antragstellers sicherstellen kann ...
e) Die Tochter M. ist schließlich bei der hier vorzunehmenden Unterhaltsberechnung (momentan) nicht zu berücksichtigen.
Nach einer seit langem in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht, der sich auch der Senat angeschlossen hat, beeinträchtigen behauptete Unterhaltspflichten gegenüber anderen Unterhaltsberechtigten die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners solange nicht, als er keinerlei Zahlungen leistet oder die Unterhaltsansprüche nicht zumindest tituliert sind (vgl. OLG Hamm FamRZ 1995, 1488).
Das entspricht ebenfalls der Judikatur des Bundesgerichtshofs. Denn danach wird in einem späteren Verfahren der Anspruch eines weiteren Unterhaltsberechtigten grundsätzlich nicht dadurch rechtlich beeinträchtigt, dass ein anderer Unterhaltsberechtigter bereits einen rechtskräftigen Titel über seinen Anspruch erwirkt hat und da...