Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungszuständigkeit bei Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen. Beweislast bei Zweifeln an vom Verteidiger geltend gemachten Auslagen. Überlassung eines vollständigen Aktendoppels an den Angeklagten
Leitsatz (amtlich)
1. Über die Erinnerung gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen entscheidet der Einzelrichter, sofern er das Verfahren nicht auf die Kammer überträgt.
2. Hat statt des zuständigen Einzelrichters der gesamte Spruchkörper entschieden, ist dieser Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit unschädlich.
3. Der Nachweis, dass die vom Verteidiger geltend gemachten Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigerinteressen nicht erforderlich waren, obliegt grundsätzlich der Staatskasse. Die Notwendigkeit beanspruchter Kopierkosten ist daher im Zweifel anzuerkennen.
4. Das gilt jedoch dann nicht, wenn gewichtige Gründe dafür ersichtlich sind, dass einzelne Auslagen unnötig verursacht wurden und sachlich nicht erforderlich waren. Dann muss der Verteidiger die Erforderlichkeit der Auslagen belegen, wobei ihm ein gewisser Ermessensspielraum verbleibt.
5. Die Überlassung eines vollständigen Aktendoppels an den Angeklagten ist regelmäßig nicht geboten.
Verfahrensgang
LG Trier (Entscheidung vom 30.09.2009) |
Tenor
Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Trier vom 30. September 2009 wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Staatsanwaltschaft Trier erhob gegen den früheren Angeklagten S... bei der 3. Strafkammer des Landgerichts Trier Anklage wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 58 Fällen, davon in 53 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Im Hauptverhandlungstermin vom 9. Juli 2009 wurde dem Angeklagten Rechtsanwalt L... als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Angeklagte wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 9. Juli 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 6. August 2009 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren in Gesamthöhe von 3.493,66 € beantragt. Darin enthalten sind Schreibauslagen gemäß Nr. 7000 VV RVG in Höhe von 604,90 € (3916 Kopien). Zur Begründung dieser Auslagen hat Rechtsanwalt L... ausgeführt, die Anzahl der gefertigten Kopien (Aktenauszug) ergebe sich daraus, dass die Akte zwecks Überlassung an den Mandanten (Gewährung umfassender Information des Mandanten über den Stand des Verfahrens, Vorbereitungen von Besprechungen mit dem Mandanten) zweifach kopiert worden sei.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2009 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die an Rechtsanwalt L... zu zahlende Vergütung auf 2.998,26 € festgesetzt. Die Kosten der zu erstattenden Kopiekosten wurden auf die hälftige Anzahl (1.958 Kopien) beschränkt und mit 311,20 € angesetzt. Die gegen die Kürzung der Kopiekosten gerichtete Erinnerung vom 27. August 2009 hat die Strafkammer durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Gegen diese ihm am 13. Oktober 2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers. Die Strafkammer hat ihr durch begründeten Beschluss vom 19. Oktober 2009 nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 2. Halbsatz, 33 Abs. 3 RVG statthaft und zulässig. Über das Rechtsmittel hat der Senat gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 2. Halbsatz RVG als Kollegialgericht zu entscheiden, weil die Strafkammer die angefochtene Entscheidung in entsprechender Besetzung erlassen hat. In der Sache hat die Beschwerde aber keinen Erfolg.
1. Der Beschluss vom 30. September 2009 ist zwar formell nicht ordnungsgemäß ergangen, da nach § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter für die Entscheidung zuständig gewesen wäre. Eine nach § 33 Abs. 8 S. 2 RVG mögliche Übertragung der Sache auf die Strafkammer ist nicht erfolgt. Soweit die Strafkammer die Auffassung vertritt, in Strafsachen sei das Kollegialgericht in der Besetzung von drei Richtern - ungeachtet der ausdrücklichen Regelung in §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 1 RVG - wegen § 76 GVG funktionell zur Entscheidung zuständig (vgl. auch LG Dresden, Beschluss vom 7. September 2007 - 5 KLs 109 Js 27593/05; LG Ulm, Beschluss vom 12. April 2005 - 1 Qs 1027/05), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dies widerspricht nicht nur dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 8 S. 1 RVG, sondern auch der mit der Einführung der Einzelrichterzuständigkeit verfolgten gesetzgeberischen Intention, den mit einer Entscheidung durch das Richterkollegium verbundenen personellen Aufwand gemessen an der Bedeutung der kostenrechtlichen Rechtsmittelverfahren in Grenzen zu halten (vgl. BT- Drucks. 14/4722, S. 111 sowie OLG Hamm, Beschluss vom 5. Mai 2009 (3 Ws 68/09 bei juris). Darüber hinaus stehen auch keine strafproze...