Leitsatz (amtlich)
Bei dem Vorwurf, der Beklagte habe nicht auf die erforderliche Wiedervorstellung zur Behandlung der Parodontitis hingewiesen, handelt es sich um die Beanstandung einer unzureichenden therapeutischen Aufklärung bzw. Beratung und damit um einen Behandlungsfehlervorwurf.
Nicht jeder ärztliche Rat ist zu dokumentieren (hier: Wiedervorstellung zur Behandlung der Parodontitis; im Ergebnis offengelassen).
Im Arzthaftungsrecht weist die Parteianhörung eine erhebliche Bedeutung bei der Tatsachenfeststellung auf. Ihr Ergebnis ist Gegenstand der Verhandlung und damit bei der Würdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen. Es kann bei hinreichender Plausibilität im Einzelfall durchaus die volle Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache begründen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 359/15) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. Mai 2017 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 14. August 2017 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt materiellen und immateriellen Schadensersatz im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Versorgung.
Der Kläger befand sich seit dem Jahr 1996 in sporadischer zahnärztlicher Behandlung bei dem Beklagten. Behandlungen fanden in den Jahren 1996, 2002, 2006, 2007 und 2010 statt. Die sich über vier Behandlungstermine erstreckende Versorgung im Jahr 2010 bezog sich auf eine Wurzelbehandlung des Zahns 36. Nach Abschluss dieser Behandlung suchte der Kläger den Beklagten nicht mehr auf und begab sich erst ab dem Jahr 2012 in anderweitige zahnärztliche Versorgung.
Der Kläger hat erstinstanzlich zur Begründung seines auf Zahlung eines in das gerichtliche Ermessen gestellten Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 13.500 EUR, Erstattung von Nachbehandlungskosten in Höhe von 6.173,64 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,32 EUR und Feststellung der Einstandspflicht für künftige weitere materielle und immaterielle Schäden gerichteten Begehrens vorgetragen, die Wurzelbehandlung des Zahns 36 sei grob fehlerhaft erfolgt, da eine Bestimmung der endodontischen Arbeitslänge unterlassen worden sei. Der Beklagte habe die Wurzel nur unzureichend gefüllt. Zudem sei die angezeigte Befunderhebung zur Abklärung einer parodontalen Erkrankung unterlassen worden. Es hätte auf die Notwendigkeit einer konsequenten Parodontalbehandlung hingewiesen werden müssen. Durch diese Versäumnisse sei der Knochenabbau verschlimmert worden, was zum Verlust von neun Zähnen und der Erforderlichkeit einer Zahnersatzversorgung geführt habe.
Der Beklagte hat dem entgegengehalten, den Kläger in den Jahren 2007 und 2010 über die Notwendigkeit einer Parodontosebehandlung in Kenntnis gesetzt zu haben.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 170 ff. GA) verwiesen.
Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Schadensersatzansprüche wegen einer fehlerhaften Durchführung der Wurzelbehandlung des Zahns 36 seien nicht eröffnet. Zwar sei eine Längenbestimmung der Zahnwurzeln unterlassen worden, doch habe dies das Behandlungsergebnis nicht negativ beeinträchtigt. Aus der OPG-Aufnahme vom 20. Mai 2014 ergebe sich kein pathologischer Befund im Bereich der Wurzelspitze des Zahns 36, weshalb wegen einer hinreichenden Wurzelfüllung ein Schadenseintritt ausgeblieben sei. Von einem Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Versorgung des Klägers wegen einer bestehenden Parodontitis könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Zwar habe in den Jahren 2007 und 2010 ein behandlungsbedürftiger Befund bestanden, doch sei davon auszugehen, dass der Beklagte den Kläger jeweils über den Behandlungsbedarf aufgeklärt habe. Für ein entsprechendes Fehlverhalten trage der Kläger die Beweislast. Eine Beweislastumkehr wegen eines Dokumentationsversäumnisses komme nicht in Betracht, da keine Dokumentationspflicht bestanden habe. Zudem müsse aufgrund der Angaben der Parteien davon ausgegangen werden, dass eine entsprechende Beratung durch den Beklagten erfolgt sei. Dieser habe in seiner Anhörung die entsprechende Hinweiserteilung näher ausgeführt, was als überzeugend anzusehen sei. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 173 ff. GA) Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung unter Weiterverfolgung seines erstinstanzlichen Begehrens. Entgegen dem Landgericht sei von einer Dokumentationspflicht auszugehen. Auch wenn nach den Angaben des Sachverständigen 80% der Zahnärzte derartige Hinweise auf eine notwendige Parodontosebehandlung nicht dokumentieren würden, müsse davon ausgegangen werden, dass die Sicherungsaufklärung zumindest in kurzer Form, wie sie der Sachverst...