Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Fortbestand des Kostentitels bei späterer abweichender Parteivereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Dass dem Rechtsmittelführer die Kosten der Berufung auferlegt worden sind, ist ohne Belang, wenn die Parteien in dem in erster Instanz weitergeführten Rechtsstreit später vereinbaren, dass dessen Gesamtkosten quotenmäßig geteilt werden. Eines ausdrücklichen Verzichts auf die Rechte aus dem ursprünglichen Kostentitel bedarf es nicht (Abgrenzung zu OLG Schleswig JurBüro 1982, 445 und OLG München MDR 1982, 760).
Normenkette
ZPO §§ 91, 97, 104; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 26.04.2011; Aktenzeichen 3 O 51/09) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Mainz vom 26.4.2011 betreffend die Kosten des Berufungsverfahrens aufgehoben und das LG angewiesen ein Kostenausgleichungsverfahren durchzuführen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
3. Der Beschwerdewert wird auf 222,14 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Grundlage der Kostenfestsetzung vom 26.4.2011 war der Beschluss des 8. Zivilsenates vom 9.12.2010. Damit waren die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten auferlegt worden. Der Beschluss ist jedoch mittlerweile überholt, weil die Parteien am 25.1.2011 in erster Instanz einen allumfassenden Vergleich geschlossen und dabei die "Kosten des Rechtsstreits" gequotelt haben. Damit ist für den ursprünglich vorhandenen vollständigen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin kein Raum mehr (st. Rspr. des Senates: OLG Koblenz v. 1.9.2005 - 14 W 562/05, MDR 2006, 357; OLG Koblenz v. 20.2.1990 - 14 W 56/90, JurBüro 1991, 116; OLG Koblenz v. 22.1.1980 - 14 W 536/79, JurBüro 1980, 762; ebenso: OLG Hamburg JurBüro 1996, 593; Belz in MünchKomm/ZPO, § 104 Rz. 133; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rz. 48).
Es stand den Parteien frei, die Kosten des Berufungsverfahrens in der am 25.1.2011 geschlossenen Vereinbarung auszuklammern. Von dieser Möglichkeit ist jedoch kein Gebrauch gemacht worden. Die Vergleichsformulierung ist auf eine umfassende Kostenregelung bezogen. Es wäre ein Leichtes gewesen, durch eine klarstellende Formulierung wie etwa, dass lediglich
"die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens"
oder
"die Kosten, soweit über diese noch nicht entschieden ist"
nach Quoten verteilt werden, eine eindeutige Beschränkung der Kostenregelung vorzunehmen. Einerseits ergibt sich schon aus dem Wortlaut der umfassende Charakter der Regelung, andererseits musste den im Gerichtsbezirk des OLG Koblenz ansässigen Bevollmächtigten beider Parteien die Rechtsprechung des Senates über mehr als 30 Jahre bekannt sein.
Die davon abweichende Ansicht von Herget (in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 104 Rz. 21) auf die das LG abhebt, wird nicht näher begründet und ist mit dem anschließenden Verweis auf eine abweichende Praxis bei einem Auskunfts-Teilurteill auch widersprüchlich. Die Auffassungen, dass die im Berufungsverfahren allein obsiegende Partei keinen Anlass habe, von der dortigen Kostenentscheidung abzuweichen (OLG Schleswig JurBüro 1982, 445) bzw. dass ein Vollstreckungstitel nur durch ausdrücklichen Verzicht wieder beseitigt werden könne (OLG München MDR 1982, 760) überzeugen nicht soweit, dass sie sich gegen den eindeutigen Wortlaut der später getroffenen Vereinbarung der Parteien durchsetzen können. Grenze jeder Auslegung ist ein eindeutiger Wortlaut. Die sprachlich präzise und für jeden Juristen im umfassenden Sinne zu verstehenden Regelung ist für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend, sofern nicht zweifelsfreie Anhaltspunkte für einen vom Wortlaut abweichenden Parteiwillen bestehen. Daran fehlt es.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Fundstellen
JurBüro 2012, 428 |
AGS 2012, 492 |