Leitsatz (amtlich)
1. Löst sich in einem Baustellenbereich auf einer Autobahn ein dort für die Baustelle angebrachtes Verkehrsschild aus seiner Befestigung und beschädigt ein in diesem Moment vorbeifahrendes Fahrzeug, haftet das grundsätzlich verkehrssicherungspflichtige Land nicht für den eingetretenen Schaden, wenn das vom Land mit der Überprüfung und Bewachung der Baustelle beauftragte "Drittunternehmen" eine hinreichende Sicherheitskontrolle durchgeführt hat.
2. Hierfür genügt grundsätzlich eine visuelle Kontrolle der Verkehrsschilder; Rüttelproben sind nur dann erforderlich, wenn die visuelle Kontrolle Hinweise auf vorhandene Schäden erbracht hat.
3. Überträgt das Land seine Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten, verbleibt beim Land eine eingeschränkte Verkehrssicherungspflicht, die sich auf Kontroll- und Überwachungspflichten hinsichtlich des beauftragten Übernehmers verkürzt, wobei stichprobenartige Kontrollen genügen.
4. Der für die Verkehrssicherungspflicht Verantwortliche muss eine sichere, nicht jedoch die sicherste - ggf. deutlich teurere und unpraktikable - zur Schadensabwendung geeignete Maßnahme treffen (hier: konstruktive Gestaltung der Rahmenbefestigung eines Verkehrsschildes).
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 38/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 20.09.2021, Az. 1 O 38/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.02.2022.
Gründe
Das beklagte Land haftet nicht für den der Klägerin am xx.06.2020 auf der Bundesautobahn A48 in Höhe der Rheinbrücke Bendorf in einem Baustellenbereich entstandenen Fahrzeugschaden. Wie das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt hat, ist eine Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht seitens des Beklagten hier nicht gegeben, sodass der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz nicht zusteht.
Die Verkehrssicherungspflicht ist eine allgemeine Rechtspflicht, nicht nur der öffentlichen Hand, im Verkehr Rücksicht auf die Rechtsgüter anderer zu nehmen und vor allem Gefährdungen und Schädigungen nach Möglichkeit auszuschließen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine Gefährdungsquelle für Rechtsgüter anderer schafft, die notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen hat. Verstößt er gegen diese Schutzpflicht, ist er wegen des daraus resultierenden deliktischen Verhaltens schadensersatzpflichtig. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sind hierbei diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend zur Schadensverhinderung hält (grundlegend vgl. BGH MDR 1973, 252 ff).
Der Inhalt, der Umfang und die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich zum einen nach den berechtigten Sicherungserwartungen des Verkehrs (Vertrauensschutz, legitime Erwartungen des regulären Nutzers) und andererseits nach der wirtschaftlichen (finanziellen, organisatorischen und personellen) Zumutbarkeit für den Sicherungsverpflichteten.
Gemessen an diesen Grundsätzen stellte der den Schaden der Klägerin verursachende Zustand des Unfallortes, nämlich die nicht hinreichende Befestigung des dort aufgestellten Verkehrsschildes, vorliegend einen objektiv verkehrswidrigen Zustand im Sinne einer abhilfebedürftigen Gefahrenquelle dar, sodass der Beklagte hier nach den Grundsätzen der ihm obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht für die Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes Sorge zu tragen hatte. Bei Zugrundelegung des vorstehend beschriebenen Sicherungs- und Haftungsmaßstabs ist der Beklagte - unter Berücksichtigung der Handlungsweise des in Delegation mit der Überprüfung und Bewachung beauftragten "Drittunternehmens" - im Streitfall in subjektiver Hinsicht jedoch seiner Verantwortung hinreichend nachgekommen, um die objektiv der Abhilfe bedürfende Gefahrenlage zu beseitigen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es u.a zu den originären Aufgaben des Trägers der Straßenbaulast zählt, im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für eine dauerhaft standsichere Aufstellung aller von ihm oder dem mit der Durchführung der Aufgaben betrauten Fremdunternehmen in den Verkehrsraum eingebrachten Verkehrszeichen zu sorgen, da andernfalls die Gefahr von Sach- und auch Personenschäden u.U. erheblichen Ausmaßes droht. Dass das Verkehrsschild vorliegend gegen das Fahrzeug der Klägerin fallen konnte, war jedoch nicht Folge einer mangelhaften Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten durch den Beklagten.
Soweit in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten wird, dass be...