Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahnarzthaftung bei mangelhafter Prothetik
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine Prothetik mangelhaft, muss der erstbehandelnde Zahnarzt Fehler und Versäumnisse nachbehandelnder Kollegen substantiiert darlegen, wenn deren Verantwortlichkeit nach der Art des Mangels fern liegt.
2. Mängel der Prothetik können den Vertragsrücktritt des Patienten rechtfertigen und verpflichten den Zahnarzt zur Rückzahlung der Vergütung.
3. Haftet der Zahnarzt nicht nur aus Vertrag, sondern auch aus unerlaubter Handlung, erstreckt sich seine Ersatzpflicht ohne weiteres auf die vorprozessualen Anwaltskosten des Patienten.
Normenkette
BGB §§ 249, 323, 346, 631, 634, 823; ZPO §§ 286-287
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 4 O 470/05) |
Tenor
In dem Rechtsstreit wegen Zahnarzthaftung ist beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Erläuternd ist zur Sach- und Rechtslage auszuführen:
1. Die Klägerin befand sich von Januar 2004 an in der zahnärztlichen Behandlung des Beklagten. Sie ließ Ober- und Unterkiefer mit herausnehmbaren Teilprothesen versorgen. Vorbereitend wurden etliche Zähne verkront.
Nach dem Vorbringen der Klägerin arbeitete der Beklagte mangelhaft: Die Kronen hätten überstehende Ränder gehabt und die Prothesen seien ohne festen Sitz gewesen. In der Folge hätten sich Sprach- Beiß- und Kauprobleme ergeben. Außerdem sei es zu Zahnfleischentzündungen gekommen.
Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf die Zahlung eines mit 6.000 EUR bezifferten Schmerzensgelds, die Rückgewähr des von ihr für seine Zahnarztleistungen aufgewandten Eigenanteils von 722,90 EUR und den Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten von 389,64 EUR in Anspruch genommen sowie die Feststellung einer weitergehenden immateriellen und materiellen Ersatzberechtigung begehrt. Dem hat das LG, gestützt auf ein vorliegendes Beweissicherungsgutachten und ein ergänzend innerprozessual eingeholtes Gutachten, bis auf den Feststellungsantrag wegen immaterieller Schäden entsprochen. Es hat die Arbeit des Beklagten für mangelhaft und umfassend sanierungsbedürftig erachtet.
Diese Entscheidung greift der Beklagte mit der Berufung an. Er erstrebt die Abweisung der Klage und wendet wie bereits in erster Instanz ein, dass seine Prothetik fehlerfrei gewesen sei. Die Rügen der Klägerin und die gutachterlichen Feststellungen, auf die das LG abgehoben habe, beträfen Gegebenheiten, die auf die nachträgliche Intervention Dritter zurückzuführen seien.
2. Damit vermag der Beklagte nicht durchzudringen. Die landgerichtliche Entscheidung wird den Verhältnissen im Ergebnis gerecht.
a) Die prothetischen Leistungen des Beklagten waren irreparabel fehlerhaft und haben die Klägerin nachhaltig beeinträchtigt. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die implantierten Kronen nicht bündig auf ihren Trägerzähnen aufsitzen, sondern in den Randbereichen abstehen. Dadurch sind schwere Schäden an den marginalen Weichgeweben entstanden, und die Klägerin hatte und hat unter schmerzhaften Entzündungen zu leiden. Deshalb müssen die Kronen ersetzt und dann neue angepasste bewegliche Teilprothesen erstellt werden.
Dieses von der Klägerin vorgetragene Schadensbild hat der Sachverständige Prof. Dr. S. in seinem Beweissicherungsgutachten vom 21.7.2005 und in dem nachfolgenden innerprozessualen Gutachten vom 30.11.2006 bestätigt; es ist vom Ansatz her ebenfalls von dem Privatgutachter Rothkamm beschrieben worden. Auch der Beklagte hat die Erneuerungsbedürftigkeit der Prothetik nicht bestritten. Er hat allerdings seine Verantwortlichkeit dafür in Abrede gestellt und behauptet, die Kronen ordnungsgemäß angepasst zu haben. Seiner Ansicht nach ist der vorhandene schlechte Zustand von anderer Seite zu verantworten.
Diese Rechtsverteidigung greift indessen nicht. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat dargelegt, dass der Kronenüberstand von vornherein dagewesen sein muss. Es handelt sich um Niveaudifferenzen, die konstruktiv bedingt sind. Dass von Dritten im Nachhinein eine entsprechende, schädigende Oberflächenveränderung vorgenommen worden sein könnte, ist nicht plausibel. Deshalb ist die - im Übrigen deutlich überhaupt nur in Bezug auf den Oberkiefer aufgestellte - Behauptung des Beklagten, er habe die Kronen randlos an die Trägerstümpfe angepasst, ohne Substanz; sie kann die gegenläufige Darstellung der Klägerin nicht entkräften. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, aus seiner zahnärztlichen Sicht eine außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegende potentiell schadensursächliche Entwicklung aufzuzeigen. Das ist nicht ansatzweise geschehen.
Die Darlegungslast des Beklagten ist nicht etwa deshalb erleichtert, weil der Kassengutachter Dr. G. bei einer zeitnahen Untersuchung der Klägerin einen ordnungsgemäßen Sitz der Kronen festgestellt hätte. Dr. G. hat sich zu den Kronen selbst nicht geäußert, sondern nur zu der beweglichen Prothetik und dabei auc...