Leitsatz (amtlich)
Die im Rahmen der ehevertraglichen Ausübungskontrolle vorzunehmende Vertragsanpassung darf auch im Versorgungsausgleich nicht über den vollständigen Ausgleich ehebedingter Nachteile hinausgehen. Liegen letztere nicht vor, vermag eine Ausübungskontrolle trotz wirtschaftlich nachteiliger Lage eines Ehegatten nicht zum Wiederaufleben von im Ehevertrag ausgeschlossenen Scheidungsfolgeansprüchen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der sich in einer wirtschaftlich nachteiligen Lage befindende Ehegatten so besser als ohne die Ehe stehen würde.
Normenkette
BGB §§ 242, 313; VersAusglG §§ 6, 8
Verfahrensgang
AG Altenkirchen (Aktenzeichen 4 F 117/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Altenkirchen vom 28.03.2023, Aktenzeichen 4 F 117/21, in Ziffer 1 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Verfahrenswert wird auf 2.817,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten waren Eheleute, ihre am ... 1994 geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Altenkirchen vom 30.11.2021 geschieden. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 30.07.2021 zugestellt.
Bereits vor der Eheschließung schlossen die Beteiligten vor dem Notar Dr. ... am ... 1994 (UR-Nr. ...) einen Ehevertrag, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten und unter Ziffer 2) vereinbarten: "Wir schließen für unsere Ehe fernerhin zusätzlich ausdrücklich den Versorgungsausgleich aus."
Bei Abschluss der Vereinbarung gingen die Eheleute davon aus, dass der Antragsgegner den Familienbetrieb seiner Eltern, die S. GmbH in H. erben und zusammen mit seinem Bruder weiterführen könne. Aus diesem Grund wünschte der Antragsgegner sowohl den Ausschluss der Zugewinngemeinschaft, als auch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs.
Bei der Eheschließung waren beide Beteiligte in einem Anstellungsverhältnis in Vollzeit berufstätig. Im Verlaufe der Ehe erkrankte der Antragsteller jedoch an einer schweren Lungenfibrose, so dass ihm unter anderem Teile des Lungenoberlappens entnommen werden mussten. Seit dem 17.07.2001 wurden bei dem Antragsgegner daher in der gesetzlichen Rentenversicherung weit überwiegend nur noch Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen aus dem Bezug von Leistungen eines Sozialleistungsträgers berücksichtigt. Ausweislich des von ihm vorgelegten Rentenbescheids vom 29.09.2009 bezieht der Antragsgegner seit dem 01.07.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er übte vom 01.09.2013 an nur noch geringfügige, nicht versicherungspflichtige Tätigkeiten aus. Er ist anerkannt schwerbehindert, der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 50. Der Antragsteller ist Eigentümer eines Hauses in ..., zudem ist er Miteigentümer einer weiteren Immobilie in ...
In der Ehezeit hat die Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 29,4236 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 14,7118 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 113.672,58 Euro.
Ferner hat die Antragstellerin bei der Rheinischen Zusatzversorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 76,25 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 44,16 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 20.560,68 Euro.
Der Antragsgegner hat in der Ehezeit ein Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz mit einem Ehezeitanteil von 29,6253 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 14,8127 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 114.452,19 Euro.
Der Antragsgegner trägt vor, dass der Versorgungsausgleich durchgeführt werden müsse. Die Antragstellerin könne sich nicht auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Ehevertrag berufen, da die Vereinbarung einer Wirksamkeitskontrolle nicht standhalte. Bei Abschluss des Ehevertrages seien die Eheleute davon ausgegangen, dass sie aufgrund ihrer jeweiligen Erwerbstätigkeit, die sie fortsetzen wollten, über eine hinreichend genügende Altersversorgung verfügen würden. Durch seine Erkrankung sei jedoch eine wesentliche Veränderung der Umstände eingetreten. Der Ehevertrag bewirke eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung zu seinem Nachteil, da sowohl der ihn begünstigende Versorgungsausgleich, als auch ein Zugewinnausgleich - von dem er ebenfalls profitieren würde - nicht durchgeführt werden. Er begehrt daher die vollständige Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Die Antragstellerin beruft sich auf den ehevertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Allein der Umstand, das...