Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhere als die gesetzliche Sachverständigenvergütung bei versäumter Anforderung eines entsprechenden Vorschusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Nichtbeachtung der Pflicht, den gerichtlichen Sachverständigen nur nach Zahlung eines Vorschusses in Höhe der besonderen Vergütung zu beauftragen (§ 13 JVEG), erlaubt keine Kürzung der Vergütung eines Sachverständigen, der seinerseits seinen Mitteilungs- und Kontrollpflichten genügt hat und dem sich der Verstoß gegen § 13 JVEG auch nicht erschlossen hat oder erschließen musste.

2. Zahlt die Partei, die eine mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt hat (§ 411 Abs. 3 ZPO), keinen ausreichenden Betrag für dessen von der gesetzlichen Regelung abweichende Vergütung und beauftragt und entschädigt das Gericht gleichwohl den Gutachter unter Nichtbeachtung von § 13 Abs. 1 Satz 1 JVEG, ist eine von der Staatskasse dagegen eingelegte Beschwerde auch dann zulässig, wenn beide Parteien sich ursprünglich mit einer höheren als der gesetzlichen Vergütung für das schriftliche Gutachten einverstanden erklärt hatten.

3. Wegen der fehlenden Bindungswirkung der Festsetzungsentscheidung (§ 4 Abs. 9 JVEG) für den gerichtlichen Kostenansatz ist es dem Kostenzweitschuldner auch dann nicht verwehrt, den gerichtlichen Ansatz der erhöhten Sachverständigenkosten für die mündliche Anhörung trotz fehlenden Vorschusses mit der Rüge unrichtiger Sachbehandlung (§ 21 GKG) zu Fall zu bringen, wenn er ursprünglich damit einverstanden war, dass das schriftliche Gutachten höher als gesetzlich vorgesehen honoriert wurde.

 

Normenkette

JVEG §§ 2, 4, 13; BGB §§ 133, 157, 675; GKG §§ 21, 66; ZPO § 411

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 11.07.2013; Aktenzeichen 1 O 408/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Landeskasse gegen die Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen durch den Beschluss des LG Koblenz vom 11.7.2013 wird zurückgewiesen.

2. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Nachdem die Parteien sich mit einem Stundensatz des Sachverständigen einverstanden erklärt hatten, der den gesetzlichen Satz übersteigt, erstattete er schriftliche Gutachten, die entsprechend honoriert wurden.

Vor der sodann auf Antrag der Beklagten angeordneten mündlichen Anhörung des Sachverständigen (§ 411 Abs. 3 ZPO) teilte dieser mit, dass er zur Vergütung um Berücksichtigung jenes Beschlusses bitte, durch den ihm ein höherer Stundensatz zugebilligt worden war.

Die Anforderung eines für die erhöhte Vergütung ausreichenden Betrages (§ 13 Abs. 1 JVEG) unterblieb. Im Hinblick darauf wurde dem Sachverständigen nur die gesetzliche Vergütung gezahlt.

Seine Bitte um antragsgemäße Entschädigung hatte Erfolg. Zur Begründung hat das LG in dem angefochtenen Beschluss vom 11.7.2013 ausgeführt, das ursprüngliche erklärte Einverständnis der Parteien dauere fort und rechtfertige die beantragte Vergütung.

Mit der Beschwerde weist der Bezirksrevisor namens der Staatskasse darauf hin, dass die Auszahlung einer höheren als der gesetzlichen Vergütung nach dem Gesetzeswortlaut die Zahlung eines entsprechenden Vorschusses erfordert.

Das LG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und gemeint, die Beschwerde sei bereits mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig, weil die Parteien den späteren Ansatz der (erhöhten) Sachverständigenkosten nicht mit einer Erinnerung angreifen könnten. Daran seien sie wegen des bindenden und fortdauernden Einverständnisses mit einer höheren als der gesetzlichen Vergütung gehindert.

Dem kann der Senat nicht beipflichten.

Die Beschwerde ist entgegen der Auffassung des Einzelrichters zulässig. Für das schriftliche Gutachten des Sachverständigen war ein Vorschuss von 4.000 EUR von der Klägerin gezahlt worden. Die Rechnung des Sachverständigen überstieg den Vorschuss um 2.290,70 EUR. Die Klägerin zahlte auch diesen Betrag. Vorschüsse und Nachzahlungen für das Ergänzungsgutachten waren ebenfalls insgesamt verbraucht als die mündliche Anhörung des Sachverständigen von der Beklagten beantragt wurde. Den dafür geforderten Auslagenvorschuss von 1.500 EUR zahlte die Beklagte trotz Fristsetzung auf den 20.2.2013 nicht.

Stattdessen formulierte sie an diesem Tag einen erfolglosen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen.

Obwohl damit ganz offenkundig die Vorschusspflicht ausgehebelt werden sollte, ist dem Einzelrichter des LG nach Ablehnung des Befangenheitsantrags aus dem Blick geraten, dass er der Beklagten zuvor angedroht hatte, die Ladung des Sachverständigen wieder "rückgängig zu machen", wenn der Vorschuss von 1.500 EUR nicht bis zum 20.2.2013 gezahlt werde. Obwohl keinerlei Vorschuss gezahlt war, ist der Sachverständige nicht wie angekündigt abgeladen worden. Er erschien zur mündlichen Verhandlung, in der die Beklagte, die allein seine Anhörung beantragt hatte, säumig blieb.

Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht nachvollziehen, dass der Einzelrichter in der Nichtabhilfeentscheidung gemeint hat, der Beschwerde des Bezirksrevisors fehle das Rechtsschutzinteresse, weil ...

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