Leitsatz (amtlich)
Vermögen die staatlichen Institutionen die ihnen durch einen Sorgerechtsentzug nebst Einrichtung einer Vormund- bzw. Ergänzungspflegschaft zum Schutz eines Kindes verliehenen Kompetenzen nicht wirksam umzusetzen, scheidet ein (Teil-)Sorgerechtsentzug bzw. dessen Aufrechterhaltung gegenüber den Kindeseltern aus.
Ebenso wenig kommt der Erlass von Auflagen gemäß § 1666 Abs. 3 BGB in Betracht, wenn ein Verstoß der Kindeseltern gegen diese infolge unzureichender staatlicher Kinderschutzmechanismen keine Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Normenkette
BGB § 1666
Verfahrensgang
AG Mayen (Aktenzeichen 8c F 43/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mayen vom 06.06.2019 dahingehend abgeändert, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mayen vom 28.04.2016, Az. 8c F 286/15, getroffenen kinderschutzrechtlichen Maßnahmen mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden.
Kosten des Beschwerdeverfahrens und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung auch jene des Verfahrens vor dem Familiengericht werden weder erhoben noch erstattet.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 EUR festgesetzt.
Die seitens der Kindesmutter für das Beschwerdeverfahren begehrte Verfahrenskostenhilfe wird dieser versagt.
Gründe
I. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Kindesmutter die Aufhebung des mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mayen vom 28.04.2016, Az. 8c F 286/15, erfolgten Teilsorgerechtsentzugs in den Bereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge sowie Antragstellung auf Hilfen zur Erziehung für ihr Kind J., geb. am ...2004.
Das Familiengericht hat dem betroffenen Kind einen Verfahrensbeistand bestellt und den vorgenannten Antrag nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 06.06.2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der getroffenen Maßnahmen gemäß § 1696 Abs. 2 BGB nicht vorlägen. Denn es sei weiterhin von einer Gefährdung des Kindeswohls auszugehen. Der Umstand, dass Jugendhilfemaßnahmen derzeit und spätestens seit April 2019 infolge Abgängigkeit des betroffenen Kindes aus der Wohngruppe nicht mehr umsetzbar seien, sei es, weil keine geeignete Einrichtung vorhanden oder kein Platz frei bzw. bisher vom zuständigen Jugendamt gesucht worden sei, sei es, weil sich das Jugendamt und der Ergänzungspfleger wegen der ablehnenden Haltung von Mutter und Kind an der Umsetzung von Maßnahmen gehindert sehen, führe nicht zu der Annahme, dass eine Kindeswohlgefährdung nicht mehr bestehe. Die für J. bestehende Grundproblematik, nämlich mangelnde Fähigkeit zur Stress- und Konfliktregulation, mangelnde Impulskontrolle, bestehe fort und die Kindesmutter sei weiterhin nicht in der Lage, daran etwas zu ändern. Vielmehr verstärke sie durch ihre eigene ambivalente und wenig zuverlässige Art die Problematik bei J., so dass es diesem schwer falle, sich auf die Jugendhilfemaßnahme einzulassen.
Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde. Sie führt aus, dass J. nun bereits seit April 2019 wieder bei ihr lebe und sie stringent sowie konsequent erzieherisch auf den Jungen einwirke und ihn auch schulisch fördere, ohne hierbei Unterstützung vom Jugendamt und vom Ergänzungspfleger zu erhalten. Nachdem sie somit schon praktisch die elterliche Sorge in vollem Umfang alleine für das Kind ausübe, sie ihr diese auch rechtlich wieder uneingeschränkt einzuräumen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 31.07.2019 eine einstweilige Maßnahme ergriffen, um der Kindesmutter die Schulanmeldung zu ermöglichen. Des Weiteren hat der Senat die übrigen Beteiligten schriftlich angehört. Nach der Stellungnahme des Jugendamts reiche das bisherige Angebot einer vollstationären Regelgruppe nicht mehr aus, um J.s Bedarf zu decken. Vielmehr benötige das Kind ein hochprofessionelles und sehr engmaschiges Setting, nach Möglichkeit unter Verknüpfung von Wohnen, Schule/Beruf und Therapie "unter einem Dach". Sollte er bei seiner Mutter wohnen bleiben, werde eine Sogwirkung für seine, sich ebenfalls in stationärer Jugendhilfe befindlichen Geschwister befürchtet. Der Verfahrensbeistand hat ebenfalls wie das Jugendamt einen Termin vor dem Senat angeregt und führt zudem aus, dass die Ausübung der elterlichen Sorge durch die Kindesmutter fragwürdig sei. Der Ergänzungspfleger verteidigt sich gegen die seitens der Mutter erhobenen Vorwürfe.
Der Senat hat unter Hinweis auf die in FamRZ 2014, 1177 veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angekündigt, dass die Beschwerde Erfolg haben dürfte und eine Entscheidung nach dem 16.09.2019 in Aussicht gestellt.
II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Dies beruht dabei aber nicht auf dem Nichtvorhandensein einer Kindeswohlgefahr, sondern hat seine Ursache schon allein in dem Aspekt, dass eine geeignete Maßnahme für J. dem Jugendamt bzw. dem Ergänzungspfleger nicht zur Verfügung ste...