Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht gegenüber Kindern bei Aufsichtsversäumnissen ihrer Eltern. Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 668/93) |
Tenor
Der Klägerin wird Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren versagt.
Gründe
Die am 31. Oktober 1988 geborene Klägerin kam Anfang 1991 mit ihren Eltern und der 10-jährigen Schwester nach Deutschland, wo die Familie einen Asylantrag stellte. Sie wurde in eine Wohnung des Hauses H. in A. eingewiesen. Eigentümer des Hausanwesens ist der Beklagte, der auch selbst dort wohnt. An die vom Beklagten benutzten ebenerdigen Räume grenzt ein Garten, der eingefriedet ist und außer vom Wohnzimmer des Beklagten aus nur durch ein Gartentor betreten werden kann. Im Garten ist ein Teich mit einer Oberfläche von etwa 8,6 qm angelegt, der eine Höchsttiefe von 1 m aufweist. Am 30. Juni 1991 waren die Eltern der Klägerin mit den beiden Kindern beim Beklagten und seiner Ehefrau eingeladen. Die vier Erwachsenen saßen rund um einen Tisch, der etwa 6 Meter vom Teich entfernt stand. Man spielte Karten. Gegen 18.00 Uhr wurde die Klägerin vermißt. Sie war – von allen Anwesenden unbemerkt – in den Gartenteich gestürzt und hatte sich geraume Zeit unter der Wasseroberfläche befunden. Der Vater zog sie heraus; dem Beklagten und den hinzugezogenen Notärzten gelang es, die Klägerin zu reanimieren. Sie ist infolge des Unfalls schwer geschädigt und bedarf ständiger Pflege und Betreuung.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die zugleich um Prozeßkostenhilfe nachsucht. Zur Begründung dieses Antrages trägt sie vor, ihre Eltern hätten davon ausgehen dürfen, daß der Teich nicht derart tief sei. Der Beklagte hafte, weil er verabsäumt habe, der so begründeten Gefahr durch Schutzvorkehrungen oder Warnhinweise zu begegnen. Der Beklagte bittet unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Verteidigungsvorbringen um Zurückweisung des Prozeßkostenhilfeantrages.
Prozeßkostenhilfe kann nach § 114 Satz 1 ZPO nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Nach Auffassung des Senats hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
Richtig ist, daß Teiche auf Privatgrundstücken – gleich welcher Art und Größe – für Kleinkinder eine erhebliche Gefahrenquelle darstellen. Das zeigen schon die zahlreichen in der Rechtsprechung behandelten Fälle (vgl. BGH VersR 1993, 585; OLG Karlsruhe VersR 1989, 861; 1991, 785; OLG Oldenburg, Urteil vom 19. November 1993 – 6 U 155/93 – vom BGH durch Nichtannahmebeschluß vom 21. Juni 1994 – VI ZR 355/93 – bestätigt; Amtsgericht Marbach VersR 1988, 852).
Indes muß – wie der Bundesgerichtshof wiederholt (zuletzt in seinem Urteil vom 20. September 1994 – VI ZR 162/93) entschieden hat – nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Eine absolute Sicherheit kann und muß nicht gewährleistet sein. Es bedarf vielmehr nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar sind (BGH aaO mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Das gilt grundsätzlich auch für den Schutz von Kindern. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß sie aufgrund ihrer Unerfahrenheit, ihres Leichtsinnes und Spieltriebes bei zugleich nicht hinreichend ausgeprägtem Gefahrenbewußtsein besonders gefährdet sind. Ein Grundstückseigentümer muß daher wirksame und auf Dauer angelegte Schutzmaßnahmen ergreifen, um Kinder vor Unfällen als Folge ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen, wenn ihm bekannt ist oder sein muß, daß sie sein Grundstück – befugt oder unbefugt – zum Spielen benutzen, und die Gefahr besteht, daß sie sich dort an gefährlichen Gegenständen zu schaffen machen und dabei oder in sonstiger Weise Schaden erleiden können (BGH aaO m.w.N.).
Dabei spricht hier vieles dafür, daß der Beklagte wegen der in seinem Asylbewerberheim untergebrachten Kinder verpflichtet war, das Gartentor zu verschließen und gegen unbefugte Öffnung, insbesondere durch Kinder, zu sichern. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Erörterung, weil ein eventuelles Versäumnis des Beklagten in diesem Bereich hier nicht schadensursächlich war. Denn die Klägerin bewegte sich am Unfalltag in Anwesenheit ihrer primär aufsichtspflichtigen Eltern auf dem Grundstück des Beklagten, weil die ganze Familie dort eingeladen war. Das war wegen des Gartenteiches für die Klägerin mit Gefahren verbunden, deren Ausmaß vor allen anderen die Kindeseltern bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnten und mußten. Das entnimmt der Senat den beigezogenen Strafakten 103 Js 48739/91 – 2 Ls – StA Koblenz, insbesondere den dor...