Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der neu zu bildenden Jugendstrafe bei Einbeziehung früherer Verurteilungen. Anrechnung von Bewährungsleistungen
Leitsatz (amtlich)
›1. Die neue Einheitsjugendstrafe muss nicht höher sein als die einbezogene Verurteilung.
2. Bei der Einbeziehung eines rechtskräftigen Urteils nach § 31 Abs. 2 JGG genügt es nicht, die früher abgeurteilten Straftaten und die Strafzumessungsgründe des früheren Urteils darzustellen. Die früher abgeurteilten Straftaten sind vielmehr darüber hinaus im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen originären Sanktion zu machen.
3. Nur Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zweckes über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen, können eine Nichteinbeziehung (§ 31 Abs. 3 Satz 1 JGG) mit der Folge der Aussetzung auch der zweiten Einheitsjugendstrafe rechtfertigen.
4. Für eine Anrechnung von Bewährungsleistungen ist kein Raum, wenn eine Verurteilung zu Jugendstrafe nachträglich in eine Verurteilung zu Jugendstrafe ohne Bewährung einbezogen wird.‹
Verfahrensgang
LG Mainz (Entscheidung vom 03.07.2006) |
Gründe
I. Das Jugendschöffengericht bei dem Amtsgericht Worms hat den Angeklagten durch Urteil vom 22. März 2006 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen (Tatzeiten: März 2002 bis November 2003) zu einer weiteren Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Von der Einbeziehung seines rechtskräftigen Urteils vom 21. September 2005 - 3331 Js 9680/04 - 5 jug. Ls -, durch das es den Angeklagten "tatmehrheitlich handelnd des Besitzes und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 6 Fällen und des Erwerbs von Betäubungsmitteln in 2 Fällen" schuldig gesprochen und zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt hatte, hat es gestützt auf § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG abgesehen.
Auf die dagegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat die große Jugendkammer des Landgerichts Mainz durch Urteil vom 3. Juli 2006 das Urteil des Jugendschöffengerichts abgeändert und dahingehend neu gefasst, dass unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen unter Einbeziehung des Urteils des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Worms vom 21. September 2005 zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt und mit der Sachrüge begründet, mit der er insbesondere beanstandet, dass die Jugendkammer nach § 31 Abs. 3 JGG nicht von der Einbeziehung der früheren Verurteilung abgesehen hat.
II. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat zum Teil Erfolg. Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist es im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Prüfung nicht stand.
Bei der Einbeziehung eines rechtskräftigen Urteils nach § 31 Abs. 2 JGG genügt es nicht, die früher abgeurteilten Straftaten und die Strafzumessungsgründe des früheren Urteils darzustellen. Die früher abgeurteilten Straftaten sind vielmehr darüber hinaus im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zur Grundlage einer einheitlichen originären Sanktion zu machen (BGH MDR 1992, 321; StV 1989, 545 f.; BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 3, 7 und Strafzumessung 1). Denn § 31 Abs. 2 JGG unterscheidet sich grundlegend von § 55 StGB. Nach dieser Vorschrift sind rechtskräftige (Einzel-) Strafen einzubeziehen, bei § 31 Abs. 2 JGG jedoch frühere Urteile. Erforderlich ist deshalb eine neue, selbständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten (BGH MDR 1992, 321; BGH, Beschluss 1 StR 320/90 vom 5. Juli 1990, bei Böhm in NStZ 1990, 529).
Daran fehlt es hier. Die Strafzumessungserwägungen befassen sich nur mit den jetzt neu abgeurteilten Taten. Die Jugendstrafkammer fügt dann hinzu (UA 13):
"Unter zusammenfassender Würdigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, seiner Person, seiner vorliegend festgestellten und aller der Einbeziehung zugrunde liegenden Taten aus dem Urteil des Amtsgerichts Worms vom 21.09.2005 hält die Kammer eine Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten. ... Die Kammer ist sich dabei der Tatsache bewusst, dass durch die anstehende Strafvollstreckung die aus dem laufenden Bewährungsverfahren resultierenden positiven Entwicklungsansätze unter Umständen auch in Frage gestellt werden könnten. Angesichts der von dem Angeklagten begangenen gravierenden Straftaten war die Verhängung einer Einheitsjugendstrafe, deren Höhe die Prüfung der Voraussetzungen der ...