Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 149 ZPO über die Aussetzung eines Verfahrens verfolgt den Zweck, den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, um ggf. dessen bessere Erkenntnismöglichkeiten nutzbar zu machen und widersprechende Entscheidungen zu vermeiden (in Anknüpfung an OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.12.1990 - 14 W 5/90 - NJW 1991, 1556, Juris Rn. 4; Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 149 Rn. 1). Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Gericht die Verzögerung des Zivilprozesses gegen den möglichen Erkenntnisgewinn abwägen. Wenn nicht beide Parteien ihr Einverständnis erklärt haben, muss die Ermessensausübung anhand der Begründung des Beschlusses nachprüfbar sein.
2. Wird die Aussetzungsentscheidung im Beschwerdeverfahren angegriffen, unterbleibt eine Kostenentscheidung, weil die Kosten des Beschwerdeverfahrens einen Teil der Kosten des Rechtsstreits bilden und die die in der Sache unterliegende Partei unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat (in Anknüpfung an BGH, Beschluss vom 12.12.2005 - II ZB 30/04 - NJW-RR 2006, 1289, 1290; Beschluss vom 1.6.2006 - IX ZB 33/04 - FamRZ 2006, 1268, Juris Rn. 2; Beschluss vom 16.6.2009 - XI ZB 33/08 - NJW 2009, 577 ff. = ZIP 2009, 1393 ff. = MDR 2009, 1127 f., Juris Rn. 19).
Normenkette
ZPO §§ 149, 286, 252, 567 Abs. 1, § 569 Abs. 1; StPO §§ 153, 153a
Verfahrensgang
LG T. (Beschluss vom 29.06.2015; Aktenzeichen 4 O 308/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Aussetzungsbeschluss des LG T. - Einzelrichter - vom 29.6.2015 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte, ein Chemieunternehmen, auf Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 EUR und Feststellung der Einstandspflicht für sämtliche zukünftigen immateriellen und materiellen Schäden anlässlich eines Unfallereignisses in Anspruch.
Am 27.8.2014 traten bei der Beklagten große Mengen von dem Lösungsmittel Toluol in die Kanalisation in die Kläranlage M. aus.
Der Kläger, der als Fachkraft bei den Verbandsgemeindewerken M. beschäftigt ist, hatte den Auftrag, nach dem Verursacher der giftigen Gase Dämpfe im Leitungssystem zu suchen. Dabei erlitt er erhebliche Verletzungen und musste sich einer stationären Behandlung im Krankenhaus unterziehen. Der Kläger wirft der Beklagten vor, nicht über eine ordnungsgemäße Störanlage zu verfügen, damit ausreichende Schutzvorkehrungen hätten getroffen werden können.
Die Staatsanwaltschaft T. führt gegen mehrere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren. In diesem Ermittlungsverfahren wird geprüft, ob der Leiter der Verbandsgemeindewerke dafür verantwortlich ist, dass der Kläger ohne Arbeitsschutzkleidung im Kanalsystem nach der Ursache des Lösungsmittels Toluol suchte und die Kläranlage nicht abgeschaltet wurde.
Das LG hat mit Beschluss vom 29.6.2015 die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens der Staatsanwaltschaft T. (...JS..) ausgesetzt. Der Beschluss ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 1.7.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.
Hiergegen richtet sich die am 3.7.2015 beim LG eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 252, 567 Abs. 1, 569 Abs. 1 ZPO zulässig, aber nicht begründet.
Das LG hat zu Recht gemäß § 149 ZPO die Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens der Staatsanwaltschaft T. ausgesetzt.
Gemäß § 149 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.
Die Vorschrift verfolgt den Zweck, den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, um ggf. dessen bessere Erkenntnismöglichkeiten nutzbar zu machen und widersprechende Entscheidungen zu vermeiden (OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.12.1990 - 14 W 5/90 - NJW 1991, 1556, Juris Rn. 4; Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 149 Rn. 1).
Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Gericht die Verzögerung des Zivilprozesses gegen den möglichen Erkenntnisgewinn abwägen. Wenn nicht beide Parteien ihr Einverständnis erklärt haben, muss die Ermessensausübung anhand der Begründung des Beschlusses nachprüfbar sein.
Eine Aussetzung eines Verfahrens kommt in bestimmten Verfahren, wie etwa bei Arzthaftungsprozessen, nicht in Betracht, weil sich dort die Beweislast anders darstellt und aus dem Strafverfahren oft keine Erkenntnisse gezogen werden können, weil diese gemäß §§ 153, 153a StPO oft eingestellt werden.
Im Falle des § 149 ZPO müssen die streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter und einfacher geklärt werden können, so konkret und eingehend dargestellt werden, dass das Beschwerdegericht die Ermessensausübung des die Aussetzung anordnenden Gerichts überprüfen kann. Dies ist nicht möglich, wenn nicht dargestellt ist, welche konkreten Ansprüche mit der Klage geltend gemacht und inwieweit diese auf strafbare Handlungen gestützt werden, die Gegenstand des Strafverfahrens sind (BGH...