Leitsatz (amtlich)
Für den Antrag auf Aufhebung einer Scheinehe kann Verfahrenskostenhilfe zu versagen sein, wenn der um Verfahrenskostenhilfe Nachsuchende den Eindruck erweckt, dass er Erwerbsmöglichkeiten ungenutzt lässt, die es ihm ermöglicht hätten, die Kosten des vorhersehbaren Gerichtsverfahrens selbst aufzubringen (Anschluss an: OLG Brandenburg FamRZ 2005, 1912 und ZFE 2008, 429 sowie OLG Zweibrücken Beschluss vom 13.02.2016 - 2 WF 18/06 - zit. nach Juris).
Normenkette
FamFG § 113; ZPO § 114; BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5
Verfahrensgang
AG Neuwied (Beschluss vom 05.08.2016) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des AG - Familiengericht - Neuwied vom 05.08.2016 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 09.08.2016 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist auch sonst zulässig, insbesondere gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 567 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg, da das Familiengericht die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu Recht wegen Mutwilligkeit versagt hat.
Zutreffend ist allerdings, dass der Antrag auf Aufhebung einer Scheinehe nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Denn so lange unsere Rechtsordnung einer Scheinehe nicht deren Wirksamkeit abspricht, stellt ein Aufhebungs- bzw. Scheidungsantrag die einzige Möglichkeit der Auflösung einer solchen Ehe dar (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 1206 und BGH FamRZ 2011, 872). Dies besagt indes noch nichts über die Mutwilligkeit eines Verfahrenskostenhilfeverlangens für einen Antrag auf Aufhebung bzw. Scheidung einer Scheinehe. Auch der Bundesgerichtshof musste in der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung hierüber nicht entscheiden (vgl. BGH FamRZ 2011, 872 Tz. 14). Der Senat ist vorliegend der Ansicht, dass das Familiengericht die Antragstellerin hier diesbezüglich ohne erkennbaren Rechtsfehler darauf verwiesen hat, für die Kosten des Verfahrens auf Aufhebung bzw. Scheidung ihrer Anfang 2015 geschlossenen Scheinehe selbst aufkommen zu müssen.
Die Antragstellerin ist zwar arbeitslos und bezieht Leistungen nach SGB II. Aus der Beziehung des um Verfahrenskostenhilfe Nachsuchenden gegenüber der die Verfahrenskostenhilfe solidarisch zur Verfügung stellenden Allgemeinheit resultiert allerdings die allgemeine Verpflichtung des Einzelnen, seinen Verfahrenskostenbedarf selbständig und eigenverantwortlich sicherzustellen. Das gilt insbesondere dann, wenn Ursache für ein Verfahrenskostenhilfegesuch ein diesem vorausgehendes von der Rechtsordnung grundsätzlich missbilligtes Verhalten ist. Das ist bei der Eingehung einer Scheinehe trotz der seitens der Rechtsordnung an diese geknüpfte Wirksamkeit wie §§ 1313 f. BGB zeigen der Fall. Erweckt der um Verfahrenskostenhilfe Nachsuchende sodann den Eindruck, dass ungenutzte Erwerbsmöglichkeiten vorliegen, kann sich sein Verfahrenskostenhilfegesuch als mutwillig i.S. des § 114 ZPO darstellen (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2005, 1912 und ZFE 2008, 429 sowie OLG Zweibrücken Beschluss vom 13.02.2016 - 2 WF 18/06 - zit. nach Juris).
So liegt der Fall hier. Angesichts des noch jungen Alters der Antragstellerin - diese ist im Februar 1982 geboren worden - liegt es nahe, dass sie im Grundsatz mit entsprechenden Bemühungen in der Lage ist, auf dem Arbeitsmarkt Arbeit zu finden, dadurch ihren Lebensunterhalt selbstständig sicherzustellen und zugleich die Möglichkeit zu haben, die Prozesskosten des vorhersehbaren Gerichtsverfahrens - durch kontinuierliche Rücklagenbildung - zu begleichen. Der bloße Verweis auf den Bezug von Arbeitslosengeld II genügt dann nicht (vgl. OLG Brandenburg ZFE 2008, 429).
Fundstellen
Haufe-Index 9835537 |
FamRZ 2017, 312 |
FuR 2017, 219 |
MDR 2016, 1338 |