Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren gegen die Kürzung einer Sachverständigenvergütung
Leitsatz (amtlich)
Falls der Entschädigungsantrag des gerichtlichen Sachverständigen und seine Beschwerde gegen die Rechnungskürzung substantielle Sachargumente enthalten, muss die Nichtabhilfeentscheidung nach § 4 Abs. 4 JVEG erkennen lassen, dass das Gericht die Sachargumente des Sachverständigen zur Kenntnis genommen, geprüft, berücksichtigt und gewürdigt hat. Fehlt es daran, ist das Grundrecht des Sachverständigen auf rechtliches Gehör verletzt, was unter Aufhebung der inhaltlich unzureichenden Nichtabhilfeentscheidung zur Rückgabe in die erste Instanz führen kann.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; LV RP Art. 6 Abs. 2; JVEG § 4 Abs. 4; ZPO §§ 413, 572 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 13.11.2014; Aktenzeichen 5 OH 6/12) |
Tenor
1. Der Nichtabhilfebeschluss der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Mainz vom 13.11.2014 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird erneut an das LG Mainz zurückgegeben.
Dort ist zur Wahrung rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers eine mit Sachgründen versehene Entscheidung nach § 4 Abs. 4 JVEG zu treffen.
Gründe
I. Der Sachverständige wendet sich gegen einen Beschluss vom 7.7.2014, durch den die im September 2013 antragsgemäß gezahlte Vergütung von 2.185,80 EUR auf 1.757,40 EUR gekürzt worden ist. Zugleich hat die Einzelrichterin die Rückzahlung von 428,40 EUR angeordnet.
Mit seiner Beschwerde erhebt der Gutachter Sacheinwände gegen die Herabsetzung der Vergütung und verweist auf eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen, die den Beschluss vom 7.7.2014 falsifizieren sollen.
Die Einzelrichterin hat der Beschwerde "aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen" nicht abgeholfen. Die Beschwerdebegründung des Sachverständigen gebiete keine andere Entscheidung.
II. Die Sache musste unter Aufhebung der Nichtabhilfeentscheidung an das LG zurückgegeben werden.
Auch in Kostensachen muss die Nichtabhilfeentscheidung erkennen lassen, dass der Richter das Beschwerdevorbringen zur Kenntnis genommen, geprüft und berücksichtigt hat (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 12.7.2000 - 14 W 458/00 in JurBüro 2002, 200 - 201). Nach § 4 Abs. 4 JVEG hat das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abzuhelfen, wenn sie für begründet erachtet wird; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Zweck des Abhilfeverfahrens ist es, die Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 572 ZPO Rz. 7 m.w.N.). Das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, ist deshalb verpflichtet, den Inhalt der Beschwerdeschrift darauf zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist. Fehlt es an einer derartigen Prüfung, ist das vom Grundgesetz und der Landesverfassung Rheinland - Pfalz in Art. 103 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 2 LV RP garantierte Recht verletzt. Liegt ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor, begründet dies einen wesentlichen Mangel des Abhilfeverfahrens, der zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses führen kann (vgl. OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2006, 600; OLG Rostock MDR 2006, 538; Zöller/Heßler, a.a.O., Rz. 4 und 7 m.w.N.). Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG ZMR 1998, 268; NJW 2011, 49).
So liegt es hier:
Die Sache war dem Senat bereits im Oktober 2014 vorgelegt worden, was zu dem Aufhebungsbeschluss 14 W 630/14 führte. Dort hat der Senat u.a. darauf hingewiesen (Ziff. 2 der Beschlussgründe), dass das Grundrecht des Sachverständigen auf rechtliches Gehör es gebietet, ihm die umfangreichen und sehr substantiellen Ausführungen der Bezirksrevisorin mitzuteilen, die ersichtlich zu der Honorarkürzung geführt haben.
Dass das insoweit Versäumte nunmehr nachgeholt wurde, erschließt sich aus den Akten nicht. Der Senat wiederholt daher seinen damaligen Hinweis. Dem Sachverständigen muss Gelegenheit gegeben werden, die Erwägungen der Bezirksrevisorin zu widerlegen oder ganz bzw. teilweise zu entkräften.
Ungeachtet dessen sind auch die bereits jetzt mit der Beschwerde vom 11.11.2014 vorgebrachten Einwände des Sachverständigen inhaltlich derart substantiell, dass sie nicht mit dem Formularsatz abgetan werden durften, der Beschwerde werde
"aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen"
nicht abgeholfen. Bei der Beschlussfassung waren die Sacheinwände des Sachverständigen vom 11.11.2014 dem Gericht noch gar nicht bekannt, so dass die Beschlussbegründung vom 7.7.2014 dazu auch nichts enthalten...