Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Rechtsschutzinteresse des Patienten, wenn der Haftpflichtversicherer des Arztes eine Zukunftsschäden abdeckende Haftungserklärung abgibt
Leitsatz (amtlich)
1. Teilt der Haftpflichtversicherer der Behandlungsseite dem geschädigten Patient mit, dessen künftige ereignisbedingte materielle Ansprüche blieben ebenso vorbehalten wie künftige ereignisbedingte immaterielle Ansprüche für den Fall einer nicht vorhersehbaren wesentlichen Verschlechterung im Sinne der BGH-Rechtsprechung; diesen Erklärungen komme die Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteiles zu, liegt darin trotz fehlender notarieller Beurkundung ein ausreichendes Anerkenntnis, das ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage des Patienten entfallen lässt.
2. Dass ein Verjährungsverzicht des Haftpflichtversicherers die Verjährungsfrist nicht über mehr als 30 Jahre ab der Anspruchsentstehung erstrecken darf, nimmt ihm nicht die Rechtsgültigkeit innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenze, so dass sich auch aus § 202 Abs. 2 BGB kein fortbestehendes Feststellungsinteresse des Berechtigten herleiten lässt.
Normenkette
BGB §§ 195, 197 Abs. 1 Nr. 3, § 202 Abs. 2, §§ 780-781; ZPO §§ 256, 794 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 25.07.2014; Aktenzeichen 2 O 208/13) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bad Kreuznach vom 25.7.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gem. §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils und dem Senatsbeschluss vom 23.10.2014. Dort hat der Senat seine Absicht, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, wie folgt begründet:
"I. Der Kläger wurde am 9.8.2012 mit Fieber, Bauchschmerzen und Erbrechen im Krankenhaus der Beklagten aufgenommen. Dort stellte man tags darauf nach einer Sonographie die Diagnose einer Gastroenteritis. Als ein CT vom 23.8.2012 auf einen Abszess im kleinen Becken hinwies, fiel die Entscheidung zu einem operativen Eingriff, der am 24.8.2012 anderweit durchgeführt wurde. Dabei zeigte sich, dass es zu einer perforierten Appendizitis mit Tumorbildung gekommen war. Man nahm eine Ileozökalresektion bis zum proximalen Kolon vor; das war mit dem Verlust des Verschlusses zwischen Dick- und Dünndarm verbunden. Vor diesem Hintergrund trat der Kläger, gestützt auf den Vorwurf von schadensträchtigen Befunderhebungs- und Diagnosefehlern, unter dem 18.6.2013 anwaltlich an den Haftpflichtversicherer der Beklagten heran und forderte ihn zu einer Schmerzensgeldleistung von 20.000 EUR sowie zu einem weiter gehenden Haftungsanerkenntnis auf. Als die Dinge anschließend nicht gediehen, reichte er am 19.8.2013 eine entsprechende Klage gegen die Beklagte ein, deren Zustellung zunächst unterblieb und die sich dann am 11.3.2014 auf das Feststellungsbegehren beschränkte. Der Schmerzensgeldantrag war mit Erklärung vom 5.3.2014 zurückgenommen worden. Hintergrund dieser Entwicklung war, dass der Haftpflichtversicherer, wie in einem Schreiben vom 15.11.2013 avisiert, das geltend gemachte Schmerzensgeld überwiesen hatte. Danach schrieben ihm die Prozessbevollmächtigten des Klägers unter dem 21.11.2013, dass - entsprechend der anhängigen Klage - "darüber hinaus die Feststellung begehrt wird, dass ihre Versicherungsnehmerin unserem Mandanten für alle materiellen und künftigen immateriellen Schäden haftet, die ihm aus der fehlerhaften medizinischen Behandlung im August 2012 erwachsen". Man erbitte ein dahingehendes Anerkenntnis "nebst Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung für die nächsten 30 Jahre" im Namen der Beklagten. Der Haftpflichtversicherer schrieb in deren Vertretung am Folgetag zurück: "Wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom 21.11.2013. Hinsichtlich der künftigen Ansprüche erklären wir: Vorbehalten bleiben künftige ereignisbedingte materielle Ansprüche, soweit diese nicht auf Dritte ... übergegangen sind. Vorbehalten bleiben des Weiteren künftige ereignisbedingte immaterielle Ansprüche für den Fall einer nicht vorhersehbaren wesentlichen Verschlechterung im Sinne der BGH-Rechtsprechung. Vorgenannte Erklärungen sollen die Wirkung eines heute rechtskräftig werdenden Feststellungsurteiles haben."Diese Mitteilung griff das LG in einer Hinweisverfügung vom 8.4.2014 auf und legte dem Kläger die Rücknahme auch seines Feststellungsverlangens nahe. Dazu sah dieser keine Veranlassung. Er erachtete das Schreiben vom 22.11.2013 für unklar und unbefriedigend. Daraufhin ist ein abweisendes Urteil ergangen. Darin heißt es, für die beantragte Feststellung fehle das Rechtschutzinteresse, da der Haftpflichtversicherer den Wünschen des Klägers entsprochen habe. Allerdings sei dessen Schmerzensgeldanspruch zu spät erfüllt worden, so dass hier Anlass zur Klage bestanden habe; damit seien der Beklagten 16 % der Ko...