Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertbemessung im Fall der Hilfsaufrechnung mit einer unsubstantiierten Gegenforderung aus positiver Vertragsverletzung beim Werkvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Hilfsaufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung, über die eine gerichtliche Entscheidung ergeht, erhöht auch dann den Streitwert, wenn die Aufrechnungsforderung nicht hinreichend substantiiert ist.
2. Werden gegen eine Werklohnforderung Aufwendungen geltend gemacht, die über die gesetzlichen Gewährleistungsfolgen hinausgehen oder wird ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung hergeleitet, weil er nicht im Zusammenhang mit Mängeln steht, liegt eine streitwerterhöhende Hilfsaufrechnung vor.
Normenkette
ZPO §§ 3, 322 Abs. 2; GKG § 19 Abs. 3, § 25 Abs. 3; BRAGO § 9 Abs. 2; BGB §§ 276, 633
Verfahrensgang
Tenor
wird auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers die im Urteil des LG Koblenz vom 4.4.2001 enthaltene Streitwertfestsetzung abgeändert.
Der Streitwert wird auf 20.071,53 DM festgesetzt.
Gründe
Die gemäß §§ 25 Abs. 3 GKG, 9 Abs. 2 BRAGO zulässige Streitwertbeschwerde ist begründet, denn das LG hat den Wert zu niedrig festgesetzt.
1. Der Kläger hat im Prozess eine Hauptforderung von 15.931,53 DM geltend gemacht. Diesen Anspruch hat die Beklagte – auch aus sachlichen Gründen – bestritten.
Sie hat darüber hinaus die Aufrechnung erklärt mit einem vom Kläger bestrittenen Schadensersatzanspruch i.H.v. 4.140 DM, weil sie auf ihre Kosten einen Teil eines von der Gemeinschuldnerin beschädigten Abwasserkanals wieder habe erneuern müssen.
Das LG hat antragsgemäß verurteilt und die Aufrechnung der Beklagten im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einem substantiierten Vortrag zu dem Schadensereignis, das den mit der Aufrechnung verfolgten Schadensersatzanspruch rechtfertige. Auch sei die Berechnung widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.
2. Der Wert der Klageforderung ist gemäß § 19 Abs. 3 GKG um den Wert der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Forderung zu erhöhen.
Klageforderung sowie Gegenforderung sind bestritten. Über die Gegenforderung ist eine der Rechtskraft fähige Entscheidung (§ 322 Abs. 2 ZPO) ergangen, auch wenn das LG die seiner Auffassung nach unsubstantiierte Gegenforderung als unschlüssig und damit als unbegründet behandelt hat.
a) Wird der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die Aufrechnung nicht rechtswirksam erklärt oder nicht zulässig sei, ist über die Gegenforderung nicht rechtskräftig entschieden (BGH v. 5.12.1996 – IX ZR 67/96, NJW 1997, 743 = MDR 1997, 397; vgl. auch Schneider/Herget, Streitwert, 11. Aufl., Rz. 441–446 m.w.N.).
Hiervon erfasst ist auch die Verfahrenslage, dass die Aufrechnungsforderung ungenügend individualisiert worden ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend) etwa deswegen, weil die Tatsachenangaben zu den behaupteten Gegenansprüchen so unzureichend sind, dass nicht bestimmbar ist, welche Gegenforderungen die beklagte Partei mit ihrer Hilfsaufrechnung geltend machen will (BGH v. 24.2.1994 – VII ZR 209/93, NJW 1994, 1538 = MDR 1994, 612; vgl. Schneider/Herget, Streitwert, 11. Aufl., Rz. 448 m.w.N.).
b) Eine solche Fallgestaltung ist hier jedoch nicht gegeben. Das LG hat die Aufrechnungsforderung nicht etwa als zu unbestimmt zurückgewiesen; es hat vielmehr den Vortrag zum Schadensgrund und zur Höhe des Schadens deshalb für unzureichend gehalten, weil nicht vorgebracht sei, wann sich genau der Schaden ereignet habe und wie er sich, da widersprüchlich dargestellt, berechnen lasse.
Damit wird die Existenz einer gegen den Kläger gerichteten Forderung des im Prozess geltend gemachten Inhaltes verneint. Diese Entscheidung erwächst in Rechtskraft (BGH v. 24.2.1994 – VII ZR 209/93, NJW 1994, 1538 = MDR 1994, 612 anderer Ansicht bei Unsubstanitiiertheit Markl-Meyer, GKG, 4. Aufl., § 19 Rz. 33).
Der Umstand, dass die maßgebliche Begründung für die Aberkennung der Gegenforderung auf dem prozessualen Grund der fehlenden Substantiierung beruht, berührt die Frage des Umfanges der Rechtskraft nach § 322 Abs. 2 ZPO nicht (BGH v. 24.2.1994 – VII ZR 209/93, NJW 1994, 1538 = MDR 1994, 612).
c) Im vorliegenden Fall handelt es sich auch um eine „Aufrechnung” im rechtstechnischen Sinne.
Zwar liegt der zugesprochenen Forderung ein Werkvertrag zugrunde und die „Aufrechnung” mit Schadensersatzansprüchen wegen Gewährleistung ist „Abrechnung” oder „Verrechnung” mit der Folge, dass keine Streitwertaddition stattfindet, weil wegen mangelhafter Leistung der Vergütungsanspruch von vorneherein nicht oder nicht in der geforderten Höhe zusteht (vgl. Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rz. 16 „Aufrechnung” m.w.N.)
Geht es aber um Aufwendungen, die über die gesetzlichen Gewährleistungsfolgen hinausgehen (Schneider/Herget, Streitwert, 11. Aufl., Rz. 418, 419 m.w.N.) oder wird der Schadensersatzanspruch – wie hier – aus positiver Vertragsverletzung hergeleitet, weil er nicht im Zusammenhang mit Mängeln steht (vgl. BGH NJW 1969, 838 [839] sowie Nachweise bei Pal...