Leitsatz (amtlich)
1. Wird innerhalb der Monatsfrist des 55 Abs. 6 Satz 1 RVG kein Vergütungsantrag an die Staatskasse gestellt, erlöschen sowohl die Grundvergütung des beigeordneten Anwalts nach § 49 RVG als auch die weitere Vergütung nach § 50 RVG gegenüber der Staatskasse (Anschluss an: OLG Zweibrücken AGS 2013, 530; OLG Koblenz [14. ZivS.] AGS 2013, 136; OLG Koblenz [3. ZivS.] NJW-RR 2004, 67).
2. Die Fristsetzung nach 55 Abs. 6 Satz 1 RVG ist grundsätzlich unabhängig vom Stand des Verfahrens, für welches Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, zulässig (vgl. Senatsbeschluss vom 22.04.2020, Az. 13 WF 226/20). Sie setzt allerdings voraus, dass die Festsetzung einer weiteren Vergütung nach § 50 RVG zumindest in Betracht kommt. Dabei umfasst der Begriff der "Vergütung" in §§ 50 Abs. 1, 55 Abs. 6 RVG jedoch nicht lediglich die Gebühren, sondern auch die Auslagen eines Rechtsanwalts (§ 46 RVG).
Normenkette
RVG §§ 46, 49-50, 55 Abs. 6
Verfahrensgang
AG Koblenz (Aktenzeichen 191 F 211/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 07.01.2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 120 Abs. 3, 127, 567 ff. ZPO statthafte (vgl. Thomas/Putzo/Seiler ZPO 40. Aufl. 2019 § 127 Rn. 6) und auch sonst zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Kanzleiabwicklers des dem Antragsteller beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten gegen die vorläufige Einstellung der gegenüber dem Antragsteller angeordneten Verfahrenskostenhilferatenzahlung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat entscheidet dabei nach § 568 Satz 2 ZPO in seiner nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung.
Zutreffend geht das Familiengericht davon aus, dass hier sowohl die Grundvergütung nach § 49 RVG als auch eine weitere Vergütung nach § 50 RVG infolge der Regelung in § 55 Abs. 6 Satz 2 RVG nicht mehr gegen die Staatskasse geltend gemacht werden können.
Unstreitig wurde binnen der vom Gericht gesetzten und dem Kanzleiabwickler am 20.10.2019 zugestellten Monatsfrist nach § 55 Abs. 6 Satz 1 RVG kein Vergütungsantrag an die Staatskasse gestellt. Diese Fristversäumung führt sowohl zum Erlöschen der Grundvergütung nach § 49 RVG als auch einer weiteren Vergütung nach § 50 RVG gegenüber der Staatskasse (vgl. OLG Zweibrücken AGS 2013, 530; OLG Koblenz AGS 2013, 136; OLG Koblenz NJW-RR 2004, 67).
Zweck der Regelung des § 55 Abs. 6 RVG ist es, eine möglichst frühzeitige zuverlässige Abschätzung der für die noch einzuziehenden Raten zu bestimmenden Laufzeit zu ermöglichen. Denn gemäß § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO soll das Gericht die vorläufige Einstellung der Ratenzahlungen bestimmen, wenn die bisher geleisteten Zahlungen des Beteiligten die voraussichtlich entstehenden Kosten decken. Hierzu muss aber die Gesamthöhe der Vergütung des Rechtsanwalts bekannt sein. Dies gilt - wie auch § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO zeigt - grundsätzlich unabhängig vom Stand des Verfahrens, für welches Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 22.04.2020, Az. 13 WF 226/20).
Eine Fristsetzung zur Antragstellung ist allerdings nur dann zulässig, wenn die Festsetzung einer weiteren Vergütung nach § 50 RVG zumindest in Betracht kommt (vgl. auch Mayer/Kroiß/Kießling RVG 7. Auflage 2018 § 55 Rn. 32). Das war hier nach zutreffender Ansicht des Bezirksrevisors bei auferlegten Monatsraten in Höhe von 36 EUR trotz eines Verfahrenswerts von nur 2.000 EUR der Fall.
Zwar scheidet vorliegend eine weitere Vergütung nach § 50 RVG in Form einer höheren Wertgebühr aus. Denn gemäß § 49 RVG ist die Gebührenhöhe der Verfahrenskostenhilfegebühren bei einem Verfahrenswert von 2.000 EUR identisch mit jener der allgemeinen Gebühren nach § 13 RVG. Allerdings umfasst der Begriff der "Vergütung" in §§ 50 Abs. 1, 55 Abs. 6 RVG nicht lediglich die Gebühren eines Rechtsanwalts. Vielmehr sind hiervon gemäß der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG auch die Auslagen umfasst. Bei diesen ist gemäß § 46 RVG grundsätzlich ebenfalls zwischen jenen, die nach Gewährung von Verfahrenskostenhilfe auf jedem Fall aus der Staatskasse zu erstatten sind, und solchen zu unterscheiden, die zur sachgerechten Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlichen sind. Letztere können zwar aus der Vertragsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant zu vergüten sein, auf deren Begleichung aus der Staatskasse besteht jedoch kein Anspruch, sollten die finanziellen Mittel aus den gegenüber dem Mandanten im Zuge der gewährten Verfahrenskostenhilfe angeordneten Zahlungen nicht ausreichen (vgl. BT-Dr. 17/11471, S. 270 zu Nr. 27 (§ 50 RVG)).
Nachdem Auslagen im vorgenannten Sinne hier nicht von vornherein ausgeschlossen waren, kam die Festsetzung einer weiteren Vergütung - im Sinne von weiteren Auslagen - nach §§ 46, 50 RVG zumindest in Betracht. Folglich kommen die Rechtsfolgen der Fristversäumung nach § 55 Abs. 6 Satz 2 RVG, 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO zur Anwendung.
Fundstellen
Haufe-Index 14027850 |
JurBüro 2020, 581 |
AGS 2020, 48... |