Leitsatz (amtlich)
Liegt eine abschließende Entscheidung des Strafsenats über eine konkrete Vollstreckungsfrage vor (nachträgliche Sicherungsverwahrung / Unterbringung), so entfaltet diese Bindungswirkung für ein nachfolgendes Schadensersatz- und Entschädigungsverfahren (§ 839 BGB, Art. 5 Abs. 5 EMRK).
Eine nochmalige Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sicherungsverwahrung/ Unterbringung findet damit in einem nachfolgenden Zivilverfahren zwischen den selben Parteien nicht statt.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 406/17) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 03.04.2018, Az.: 1 O 406/17, wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht ohne Kostenentscheidung, Kosten werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 StPO.
Gründe
I. Mit am 31.12.2017 bei dem Landgericht Koblenz eingegangenem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten begehrt der Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Schadensersatz für immaterielle Schäden (Art. 5 Abs. 5 EMRK) wegen nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung.
In dem beigefügten Klageentwurf wird ausgeführt, dass der Antragsteller durch Urteil des Landgerichts M. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden sei, zudem sei seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Der Verurteilung habe zu Grunde gelegen, dass der Antragsteller ein ihm unbekanntes 8jähriges Mädchen angesprochen habe, mit ihm zu einem Schuppen gegangen sei und es über der Kleidung im Genitalbereich berührt habe. Der Antragsteller habe in der Vergangenheit bereits mehrere vergleichbare Taten begangen, wegen derer er zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sei.
Die durch das Urteil des Landgerichts M vom ... verhängte Freiheitsstrafe habe der Antragsteller am 07.03.1990 vollständig verbüßt. Zum Zeitpunkt der Verurteilung habe die Höchstfrist für die angeordnete erstmalige Sicherungsverwahrung (§ 67 d StGB a.F.) 10 Jahre betragen. Mit Ablauf des 07.03.2000 seien diese 10 Jahre Sicherungsverwahrung vollstreckt gewesen. Der Antragsteller sei jedoch nicht aus dem Maßregelvollzug entlassen worden, da durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 die Höchstdauer von 10 Jahren bei der erstmaligen Verhängung der Sicherungsverwahrung nachträglich aufgehoben worden sei.
Zuletzt habe die Große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts K in D durch Beschluss vom ... entschieden, dass die Unterbringung des Antragstellers in der Sicherungsverwahrung fortzudauern habe und nicht für erledigt erklärt werde. Gegen diese Entscheidung habe sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde gewandt und beantragt, seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären, hilfsweise zur Bewährung auszusetzen. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts K sei auf die Beschwerde des Antragstellers hin dann der Beschluss vom 22.11.2013 zwar aufgehoben, die weitere Vollstreckung der verhängten Sicherungsverwahrung aber lediglich mit Wirkung ab dem 30.09.2014 zur Bewährung ausgesetzt und nicht für erledigt erklärt worden. Tatsächlich sei der Antragsteller am 26.09.2014 entlassen worden. Der Antragsteller habe gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz Verfassungsbeschwerde eingelegt, die jedoch nicht zur Entscheidung angenommen worden sei, da die behauptete Verletzung des Freiheitsrechts nicht durch Unterlagen (z.B. Sachverständigengutachten) belegt worden sei.
Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung über die zunächst geltende Höchstfrist von 10 Jahren hinaus verstoße gegen Art. 5 Abs. 1, Art. 7 MRK. Der EGMR habe durch Urteil vom 17.12.2009 (Individualrechtsbeschwerde Nr. 19359/04) die rückwirkende Aufhebung der Höchstfrist der Sicherungsverwahrung als unzulässig angesehen. Die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und des Oberlandesgerichts Koblenz, die letztlich lediglich zu der Aussetzung der Maßregel auf Bewährung und nicht dazu geführt hätten, dass die Maßregel für erledigt erklärt worden sei, belegten, dass diese Gerichte dem Urteil des EGMR vom 17.12.2009 keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beimäßen. Bei dem Antragsteller sei der Vollzug der Sicherungsverwahrung durch diese Entscheidungen auch über den 07.03.2000 hinaus für rechtmäßig erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht habe verkannt, dass hier ein klarer Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vorgelegen habe und die Freiheitsentziehung rechtsgrundlos erfolgt sei; das Einreichen von Unterlagen sei vor diesem Hintergrund gar nicht erforderlich gewesen.
Der Antragsteller habe sich so 174 Monate und 18 Tage zu Unrecht in der Sicherungsverwahrung befunden. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sei insoweit ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 500,00 EUR für jeden Monat angemessen, mithin errechne sich ein Gesamtbetrag in Höhe von rund 87.500,00 EUR.
Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz hat i...