Normenkette
StGB § 73 Abs. 1, § 73c S. 1
Verfahrensgang
AG Bad Kreuznach (Entscheidung vom 02.02.2022; Aktenzeichen 1021 Js 16057/20) |
Tenor
- Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Bad Kreuznach vom 2. Februar 2022 wird als offensichtlich unbegründet verworfen.
- Der Angeklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO).
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Bad Kreuznach vom 2. Februar 2022 wurde der Angeklagte als sogenannter "Abholer" bei Betrugsstraftaten mit dem modus operandi "falscher Polizeibeamter" wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurde gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes des aus der Tat Erlangten in Höhe von 828.700,- Euro angeordnet und die sichergestellten Mobiltelefone eingezogen.
Der Angeklagte wendet sich mit seiner am 8. Februar 2021 eingelegten und am 11. April 2021 näher begründeten Revision allein gegen die Einziehungsentscheidung betreffend die Taterträge und beantragt, diese Entscheidung dahingehend zu ändern, dass nur die Einziehung des Wertes (des Erlangten) in Höhe von 3.000,- Euro entsprechend der tatsächlich von ihm erlangten Entlohnung angeordnet wird und die darüber hinausgehende Einziehung entfällt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Der Angeklagte hat über seinen Verteidiger am 14. Juni 2022 eine Gegenerklärung abgegeben.
II.
Die gemäß § 335 StPO statthafte Sprungrevision, die wirksam auf die Höhe der Einziehungsentscheidung beschränkt ist (vgl. BGH, Urt. 2 StR 46/20 v. 15.07.2020 - NStZ 2021, 37 m.w.N.), ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB die Einziehung von 828.700,- Euro als Wert des vom Angeklagten "Erlangten" angeordnet.
1.
Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat.
Ein Vermögenswert aus der Tat ist erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf ihn nehmen können (BGH, a.a.O. m.w.N.; Beschl. 4 StR 357/21 v. 01.03.2022 - NJW 2022, 1399; Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. Rn. 30a). Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an, weil es sich bei dem Erlangen um einen rein tatsächlichen Vorgang handelt (BGH, Urt. 1 StR 170, 19 v. 09.10.2019 - juris; a.A. Zivanic NStZ 2021, 264, der die Grundsätze der Besitzdienerschaft i.S.v. § 855 BGB auf das Einziehungsrecht übertragen möchte). An der erforderlichen Mitverfügungsgewalt fehlt es trotz Zugriffs ausnahmsweise nur dann, wenn dieser lediglich kurzzeitig und transitorisch ausgeübt wird (BGH a.a.O.; Beschl. 1 StR 358/18 v. 24.10.2018 - NStZ 2019, 81 f.; Gericke, StraFo 2021, 274). Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise hingegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-​)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei Beuteteilung gemindert wurde (BGH, Urt. 2 StR 46/20 v. 15.07.2020 - NStZ 2021, 37 m.w.N..; Fischer, StGB, 68. Aufl. § 73 Rn. 29a).
2.
Gemessen daran hält die tatrichterliche Annahme einer Mitverfügungsgewalt des Angeklagten an der Tatbeute in allen ausgeurteilten Fällen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Der Angeklagte nahm in allen Fällen in seiner Funktion als "Abholer" in Absprache mit den unbekannten Hintermännern die von den Geschädigten bereitgelegten Vermögenswerte an sich, wodurch die Tatbeute jeweils unmittelbar in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangte. Dabei hatte er laut den Feststellungen des Amtsgerichts - entgegen der Ansicht des Angeklagten - nicht die Rolle eines bloßen Boten inne, der die Gegenstände nur kurzzeitig ohne eigene Verfügungsmacht transportierte. Zwar stand er beim jeweiligen Abholen der Tatbeute und deren späteren Transport zu den "Logistikern" in telefonischem Kontakt mit den Hintermännern, jedoch hatten diese in diesem Zeitraum keine unmittelbare Eingriffsmöglichkeit darauf, da weder sie noch weitere Tatbeteiligte dabei örtlich zugegen waren (vgl. BGH a.a.O.). Somit übte der Angeklagte unter Ausschluss der ande...