Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 84 AMG ist unanwendbar, wenn ein Arzneimittel im Ausland erworben und ggf. in Deutschland eingenommen worden ist.
Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt nicht zur Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO. Von der haftungsbegründenden Kausalität kann daher nicht ausgegangen werden, wenn der Zusammenhang zwischen einer Medikamenteneinnahme und der gesundheitlichen Beeinträchtigung mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50%, aber weniger als 90% anzunehmen ist.
Der Beweis des Kausalzusammenhangs ist grundsätzlich unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären. Arztberichten kommt bei der Sachaufklärung eine untergeordnete Bedeutung zu, wenn in der Epikrise de facto nur der zeitliche Zusammenhang, nicht aber die Kausalität dokumentiert wurde.
Die Berufung wurde auf den Hinweis zurückgenommen.
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 2 O 290/15) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 21. Juni 2018 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Kläger können zu den Hinweisen des Senats bis zum 24. September 2018 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.
Die Berufungserwiderungsfrist wird bis zum 15. Oktober 2018 erstreckt.
Gründe
I. Die Kläger verfolgen als Erben Ansprüche auf Schadensersatz mit dem Vorwurf einer Arzneimittelschädigung.
Der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin war im Jahr 2013 Marcumar-Patient und wechselte kurzzeitig auf das Arzneimittel Xarelto mit dem Wirkstoff Rivaroxaban. Die Beklagte zu 2) ist Zulassungsinhaberin und pharmazeutische Unternehmerin des Medikaments. Die Beklagte zu 3) bringt das Medikament in Deutschland in Verkehr. Beide gehören zur ...-Gruppe, deren Dachgesellschaft die Beklagte zu 1) als Holding-Gesellschaft ohne operatives Geschäft ist. Die ärztliche Verordnung des Medikaments Xarelto für den verstorbenen Ehemann der Klägerin erfolgte durch seinen in Belgien praktizierenden Hausarzt Dr. A. Der Ehemann der Klägerin bezog das Medikament daraufhin in der von ihm in Belgien ausnahmslos aufgesuchten Apotheke L. in S. Anschließend nahm der Ehemann der Klägerin das Medikament vom 21. bis 24. Juli 2013 ein. Am 24. Juli 2013 setzte er Xarelto wieder ab, weil an seiner Nase ein juckendes Erythem aufgetreten war. Er wechselte daraufhin zurück zu dem zuvor eingenommenen Medikament Marcumar. Im weiteren Verlauf bildete sich am Körper des Ehemanns der Klägerin ein Hautausschlag. Wegen diesem stellte sich der Kläger am 1. August 2013 in der Notaufnahme der Klinik ... in S./Belgien vor (Bl. 51 f. GA). Ab 6. August bis 20. August 2013 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Hautklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin M. (Kurzarztbrief vom 27. August 2013; Bl. 49 f. GA). Die Behandler diagnostizierten eine leukozytoklastische Vaskulitis. Es erfolgte eine Behandlung mit Kortison-Präparaten, einem Antibiotikum und einem Antihistaminikum. Am 20. August 2013 kam es nach einer Synkope zur Verlegung des Ehemanns der Klägerin auf die Intensivstation. Von dort wurde er am 22. August 2013 mit infusionsbedürftiger gastrointestinaler Blutung in die Medizinische Klinik und Poliklinik, Schwerpunkt Nephrologie, verlegt. Dort erhielt er Blutkonserven (Arztbericht vom 12. September 2013; Anlage B15; Bl. 208 ff.). Am 28. August 2013 kam es zur Rückverlegung auf die Intensivstation. Nach mehreren Operationen verstarb der Ehemann der Klägerin am 9. September 2013 (Arztbrief der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin M.; Anlage B16; Bl. 211 ff. GA). Der vorläufige Obduktionsbericht der Universitätsmedizin M. vom 18. November 2013 weist als Todesursache eine dekompensierte ischämische Kardiomypathie aus (Bl. 37 GA). Der Verstorbene wurde von den Klägern beerbt.
Die Kläger haben erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 100.000 EUR gerichteten Begehrens vorgetragen, die Einstandspflicht der Beklagten beurteile sich nach deutschem Recht, da der gewöhnliche Aufenthaltsort des Verstorbenen in M. anzusiedeln sei. Die Einstandspflicht sämtlicher Beklagter ergebe sich aus § 84 AMG sowie aus § 823 BGB, wobei auch die Beklagte zu 1) als pharmazeutische Unternehmerin anzusehen und zudem nach den Grundsätzen der Konzernaußenhaftung einstandspflichtig sei. Das Medikament Xarelto habe die Vaskulitis bei dem Verstorbenen verursacht. Auch für die Darmblutungen sei die Medikamenteneinnahme verantwortlich. Zumindest habe die Vaskultitis zu den weiteren Beschwerden geführt und den Todeseintritt ausgelöst. Die lebensbedrohliche Wirkungsweise des Medikaments sei als Produktfehler anzusehen. Überdies liege ein Instruktionsfehler vor, da die Nebenwirkung einer Vaskulitis erwähnungspflichtig gewesen sei. Schließlich müsse von einer Verletzung der Produktbeobachtungspflichten ausgegangen werden.
Die Beklagten haben einen Produkt- bzw. Kennzeic...