Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühren mehrerer vorgerichtlicher Tätigkeiten bei einheitlichem Prozess
Leitsatz (amtlich)
Mündet die vorprozessuale Tätigkeit für mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände in einen einheitlichen Prozess wegen sämtlicher Gegenstände, hat die Anrechnung der Geschäftsgebühr ausschließlich aus dem Wert des Gegenstandes des gerichtlichen Verfahrens zu erfolgen.
Normenkette
RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nr. 3100
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 22.07.2008; Aktenzeichen 3 O 493/07) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 22.7.2008 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Der Beschwerdewert beträgt 2.658,62 EUR (festgesetzte 5.108 EUR abzgl. zugestandener 2.449,38 EUR).
Gründe
Die beiden Kläger wurden vorprozessual von demselben Anwalt vertreten, der sich später auch als Prozessbevollmächtigter bestellte.
Der Kläger zu 1) machte vorprozessual gegen den Beklagten zu 1) 71.955,01 EUR geltend. Vom Beklagten zu 2) verlangte der Kläger zu 2) vorprozessual 162.759,73 EUR. Letztlich begehrte der Kläger zu 2) vom Beklagten zu 3) vorprozessual 67.342,51 EUR.
Bei der späteren Bezifferung im Klageverfahren berücksichtigte der Kläger zu 1) eine vorprozessuale Zahlung des Beklagten zu 1) von 9.514,49 EUR. Der Kläger zu 2) zog eine vorprozessuale Zahlung des Beklagten zu 2) von 81.698,71 EUR ab. Ebenso zugunsten des Beklagten zu 3) dessen Zahlung von 16.431,99 EUR. Dementsprechend setzte das Gericht den Streitwert auf 194.413 EUR fest.
Gegen den Beklagten zu 1) machte der Kläger zu 1) außerdem als Nebenforderung aus dem ursprünglichen Wert vor der Teilzahlung eine 1,3 Geschäftsgebühr nach 2300 VV zum RVG geltend. Entsprechende Geschäftsgebühren verlangte auch der Kläger zu 2 von den Beklagten zu 2) und 3).
Dementsprechend erging ein Anerkenntnisurteil, das die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Die Kläger haben u.a. die Festsetzung einer 1,6 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 194.413 EUR beantragt (3100, 1008 VV zum RVG), allerdings im Hinblick auf die vorprozessuale Tätigkeit eine 0,75 Gebühr aus demselben Wert in Abzug gebracht (Teil 3 des RVG Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1). Diesem Antrag hat die Rechtspflegerin entsprochen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde vertreten die Beklagten die Ansicht, alle drei Geschäftsgebühren für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung hätten auf die Verfahrensgebühr angerechnet werden müssen.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Rechtspflegerin hat richtig entschieden.
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt in AGS 2008, 377) bedeutet die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV zum RVG, dass sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV verringert. Über diesen Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung besteht kein Streit.
Wie die Anrechnung zu erfolgen hat, wenn keine hundertprozentige Identität zwischen der vorgerichtlichen und der späteren Tätigkeit des Anwalts im Prozess besteht, regelt Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 3 VV zum RVG. Die Anrechnung erfolgt nach dem Wert des Gegenstandes, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Derart hat die Rechtspflegerin die festzusetzende Verfahrensgebühr hier berechnet.
Dass dies zutrifft, ergibt sich auch aus folgenden Kontrollüberlegungen:
a) Würde die Anrechnung wie von den Beklagten gewünscht vorgenommen, erhielte der Anwalt der Kläger für die Vertretung im Prozess keinerlei Verfahrensgebühr; vielmehr bestünde im rechnerischen Endergebnis sogar ein negativer Saldo zu Lasten der Kläger.
b) Die Kläger waren nicht gehindert, jeden der drei Ansprüche in gesonderten Prozessen geltend zu machen. Nur in diesem Fall wäre jede der dort entstandenen Verfahrensgebühren durch anteilige Anrechnung der jeweiligen Geschäftsgebühr verringert.
Das belegt, dass die sofortige Beschwerde die vorliegende Fallkonstellation gebührenrechtlich so behandelt wissen möchte, als hätten die Kläger drei getrennte Prozesse angestrengt. Dabei übersehen die Beklagten jedoch, dass in jedem der drei Prozesse auch jeweils gesonderte Verfahrensgebühren entstanden und von den Beklagten zu erstatten wären. Es ist nicht zulässig, einerseits die Ersparnis zu akzeptieren, die bei der Verfahrensgebühr dadurch eintrat, dass die Kläger sich entschlossen, alle Ansprüche in einer Klage zu verbinden, andererseits jedoch eine Anrechnung aller Geschäftsgebühren zu verlangen wie sie nur bei getrennten Prozessen möglich ist (vgl. zum Ganzen Tomson in NJW 2007, 267 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2133198 |
FamRZ 2009, 1089 |
JurBüro 2009, 304 |
AGS 2009, 167 |
NJW-Spezial 2009, 252 |
OLGR-West 2009, 463 |