Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr im Sorgerechtsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

In Verfahren nach § 1696 BGB auf Abänderung einer Maßnahme nach § 1666 BGB können die Verfahrensbeteiligten keine das Gericht bindenden Vereinbarungen schließen, so dass eine Einigungsgebühr nicht entsteht.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1696; RVG-VV Nrn. 1000, 1003

 

Verfahrensgang

AG Worms (Beschluss vom 05.01.2010; Aktenzeichen 3 F ...)

 

Tenor

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Worms vom 5.1.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragsteller sind die Eltern der Kinder ... Das AG Worms hatte mit Beschluss vom 16.5.2006 nach § 1666 BGB das Sorgerecht für beide Kinder zunächst vorläufig der Antragsgegnerin übertragen. Durch Beschluss vom 30.5.2008 hatte das AG sodann der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Organisation schulischer und therapeutischer Maßnahmen und den Antragsgegner das Sorgerecht im Übrigen gemeinsam übertragen (3 F ...).

Die beiden Kinder wurden in einer Pflegefamilie untergebracht.

Die Antragsteller haben jeweils beantragt, ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht zurückzuübertragen.

Im Termin zur Anhörung der Kindeseltern, des Verfahrenspflegers, der Pflegemutter des Jugendamts und der Sachverständigen haben die Beteiligten eine Vereinbarung getroffen, die unter Ziff. 1 wie folgt lautet: "Die Beteiligten sind sich einig, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder den Antragstellern rückübertragen werden soll." In der Vereinbarung wurden die Modalitäten der Rückführung, Maßnahmen der Familienhilfe und die Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe geregelt.

Mit anschließendem Beschluss hat das AG das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf die Antragsteller zurückübertragen.

Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat u.a. beantragt, ihm eine Einigungsgebühr festzusetzen. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das AG den Antrag auf Festsetzung einer Einigungsgebühr abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.

II. Die Beschwerde ist nach §§ 56, 33 RVG zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Das AG hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Festsetzung einer Einigungsgebühr abgelehnt.

Die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV kommt in dem hier vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Grundsätzlich unterliegt die Regelung der elterlichen Sorge nicht der Verfügungsbefugnis der Parteien. Dem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern kommt allerdings bei der erstmaligen Sorgerechtsregelung bei Getrenntleben der Eltern insoweit einer besondere Bedeutung zu, als das Gericht nach § 1671 BGB dem Antrag auf Aufhebung der gemeinsamen Sorge bei Zustimmung des anderen Elternteils stattgeben und dem gemeinsamen Wunsch entsprechen muss. Diese in § 1671 BGB zum Ausdruck gekommene Stärkung der Mitbestimmungsrechte der Eltern und die damit einhergehende Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfangs und Entscheidungsspielraums machen deutlich, dass die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen verbindliche Regelungen zum Sorgerecht treffen können. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass in Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB eine Einigungsgebühr anfallen kann (Hanseatisches OLG FamRZ 2009, 2110; Saarländisches OLG AnwBl. 2009, 726; OLG Düsseldorf OLGR 2009, 566; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1832 m.w.N.).

Diese Grundsätze gelten aber nicht in einem Verfahren nach § 1666 BGB. Durch dieses Verfahren werden staatliche Eingriffe in die elterliche Sorge im Interesse eines möglichst effektiven Schutzes des Kindes ermöglicht. Es handelt sich um ein von Amts wegen einzuleitendes Verfahren, in dem der Grundsatz der Amtsermittlung gilt und das infolgedessen der Disposition der Verfahrensbeteiligten entzogen ist. Bindende Vereinbarungen in Verfahren nach § 1666 BGB können die Beteiligten nicht schließen (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 2.3.2010, 19 WF 6/10, in juris dokumentiert; OLG Karlsruhe OLGR 2007, 923; OLG Koblenz, 4. Senat für Familiensachen FamRZ 2006, 720).

Geht es wie hier um ein Verfahren nach § 1696 Abs. 2 BGB auf Abänderung einer Maßnahme nach § 1666, gelten diese Grundsätze entsprechend. Auch in diesem Fall ist das Familiengericht durch einen übereinstimmenden Vorschlag der Eltern in seinen Entscheidungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt. Es muss vielmehr Feststellungen dazu treffen, ob die strengen Voraussetzungen für eine Abänderung der Entscheidung nach § 1666 BGB vorliegen. Anschließend muss es eine entsprechende Entscheidung treffen, die sich an einem gemeinsamen Elternvorschlag orientieren kann, aber nicht muss.

Bindet eine Übereinkunft der Verfahrensbeteiligten im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 1696 Abs. 2, 1666 BGB das Gericht nicht, kommt der Ansatz einer Einigungsgebühr nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 RVG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2383343

MDR 2010, 1350

FF 2011, 131

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