Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung eines Verfahrensbeistands im sorgeberechtigten Verfahren der einstweiligen Anordnung ist nicht deshalb entbehrlich, weil in einem parallel geführten Umgangsverfahren bereits ein Verfahrensbeistand bestellt und beteiligt worden ist.
Normenkette
FamFG § 69 Abs. 1 S. 3, § 158 Abs. 1-2, 3 S. 3
Verfahrensgang
AG Bitburg (Beschluss vom 30.03.2020; Aktenzeichen 2b F 103/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bitburg vom 30. März 2020 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das vorbezeichnete Familiengericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500,- EUR festgesetzt.
[...]
Gründe
I. Die Kindeseltern sind getrennt lebende Eheleute; bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung lebte [...] im Haushalt der Kindesmutter. Vor dem Familiengericht streiten die Kindeseltern - jeweils auf Antrag der Kindesmutter - nach wie vor um die elterliche Sorge für [...] sowie um die Regelung von dessen Umgang mit dem Kindesvater.
Im Rahmen des entsprechenden Umgangsverfahrens hat das Familiengericht für [...] einen Verfahrensbeistand bestellt und am 3. März 2020 die Sache mit allen Verfahrensbeteiligten im Rahmen eines Termins umfassend erörtert. Nachdem unter anderem der dort bestellte Verfahrensbeistand mündlich Stellung genommen und eine Kindeswohlgefährdung im mütterlichen Haushalt vertreten hatte, hat das Familiengericht noch im Termin vom 3. März 2020 angekündigt, im Wege der einstweiligen Anordnung von Amts wegen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für [...] auf den Kindesvater zu übertragen. Einen entsprechenden Beschluss hat es dann ebenfalls noch im vorbezeichneten Termin erlassen. Seine einstweilige Anordnung vom 3. März 2020 hat es - nach zwischenzeitlichem Terminsantrag der Kindesmutter und entsprechender mündlicher Verhandlung - mit Beschluss vom 30. März 2020 aufrechterhalten.
Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit der vorliegenden Beschwerde. Insoweit hat sie zuletzt
die Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung
beantragt.
Ergänzend wird auf die angefochtene Entscheidung, auf den Beschluss des Familiengerichts vom 3. März 2020, auf die Sitzungsvermerke vom 3. März 2020 und vom 26. März 2020 sowie auf den gesamten Inhalt der Akten des vorliegenden Verfahrens im Übrigen Bezug genommen.
II. Die zulässige - insbesondere statthafte (§§ 58 Abs. 1, 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG) - Beschwerde der Kindesmutter hat in der Sache selbst insoweit - vorläufig - Erfolg, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 Fam-FG zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht führt.
Der Grundrechtsschutz des Kindes und sein Anspruch auf rechtliches Gehör fordern eine Verfahrensgestaltung, die eine von Verfälschungen vonseiten Dritter unbeeinflusste Wahrnehmung der Kindesbelange sicherstellt (vgl. VerfG Brandenburg, FamRZ 2011, 305, 306; Zempel, NZFam 2018, 1042). Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn es - wie vorliegend - um die Entziehung zumindest von Teilen der Personensorge (§ 1631 Abs. 1 BGB) nach §§ 1666, 1666a BGB geht (vgl. VerfG Brandenburg, a.a.O.). Verfahren, die die Zuordnung zur Familie berühren, sind für ein Kind von erheblicher Bedeutung (vgl. VerfG Brandenburg, a.a.O.; Keidel-Engelhardt, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 158, Rdnr. 13; Völker/Clausius-Völker/Clausius, Das familienrechtliche Mandat - Sorge- und Umgangsrecht, 7. Aufl. 2016, § 5, Rdnr. 13). Denn eine entsprechende Maßnahme kann erhebliche Auswirkungen auf den Lebensweg des Kindes haben (vgl. BeckOK Hahne/Schlögel/Schlünder-Schlünder, FamFG, 34. Edition, Stand: 1. April 2020, § 158, Rdnr. 8; MünchKomm-Schumann, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 158, Rdnr. 9; Prütting/Helms-Hammer, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 158, Rdnr. 18). Gegenstand eines solchen Verfahrens ist häufig ein - vermutetes - Fehlverhalten gegenüber dem Kind (vgl. VerfG Brandenburg, FamRZ 2011, 305, 306; BeckOK Hahne/Schlögel/Schlünder-Schlünder, a.a.O.; Keidel-Engelhardt, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 158, Rdnr. 13; MünchKomm-Schumann, a.a.O.; Musielak/Borth-Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 158, Rdnr. 7; Bahrenfuss-Schlemm, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 158, Rdnr. 6; Völker/Clausius-Völker/Clausius, Das familienrechtliche Mandat - Sorge- und Umgangsrecht, 7. Aufl. 2016, § 5, Rdnr. 13; Johannsen/Henrich-Büte, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 158 FamFG, Rdnr. 9). Daher steht das Kind in entsprechenden Verfahren oft in einem Loyalitätskonflikt, der es daran hindert, die eigenen Interessen hinreichend wahrzunehmen (vgl. VerfG Brandenburg, a.a.O.; Keidel-Engelhardt, a.a.O.; Völker/Clausius-Völker/Clausius, a.a.O.). In einem solchen Fall muss dem Kind die Möglichkeit eingeräumt werden, sein eigenes Interesse in einer den Anforderungen des rechtlichen Gehörs entsprechenden Eigenständigkeit im Verfahren gel...