Leitsatz (amtlich)
Durchstreichen eines Antwortfelds im Versicherungsantrag (hier: Frage nach Beantragung oder Abschluss anderer Lebens- oder BU-Versicherungen in den letzten fünf Jahren) kann nach den Umständen des Falls als Verneinung der betreffenden Frage - und nicht als offene Nichtbeantwortung - zu verstehen und damit arglistige Täuschung sein.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 16 O 517/06) |
Tenor
Der Senat erwägt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 9.6.2008.
Gründe
Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Urteilsentscheidung des Berufungsgerichts nicht.
Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg: Das landgerichtliche Urteil entspricht im Ergebnis der Rechtslage und hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts war die Beklagte zur Anfechtung des Versicherungsvertrages berechtigt und hat diese Anfechtung wirksam erklärt.
Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung. Die Beklagte konnte ihre Anfechtung auf die unzutreffende Beantwortung der Frage durch den Kläger stützen, ob er in den letzten fünf Jahren anderweitig Lebens- oder BUZ-Versicherungen beantragt oder abgeschlossen habe. Der Kläger hat diese Frage nicht ausdrücklich beantwortet, sondern das Antwortfeld komplett durchgestrichen. Der Senat geht davon aus, dass es eine Frage der Würdigung im Einzelfall ist, was das Durchstreichen eines Antwortfeldes bedeutet. Insofern verbietet sich eine vereinheitlichende Interpretation.
Im vorliegenden Fall muss berücksichtigt werden, dass es erstinstanzlich unstreitig war, dass der Kläger Kenntnis von der zeitlich nur kurz zurückliegenden Ablehnung der A.-Versicherung bezüglich seines Antrags auf Abschluss einer BUZ-Versicherung hatte. Erstinstanzlich hat der Kläger diesbezüglich nur erklärt, er habe den Antrag gestellt und dann nicht weiterverfolgt. Damit blieb die Behauptung der Beklagten, er habe Kenntnis von der Ablehnung gehabt, unstreitig.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass er etwa zwei Wochen vor der neuen Antragstellung der Beklagten gegenüber von der Ablehnung seines Antrags bei der A. mit Bezug auf deren Grund, nämlich die gesundheitliche Situation des Klägers, Kenntnis erlangt hat, geht der Senat davon aus, dass der Kläger der Beantwortung der Frage ausweichen wollte, um der Beklagten nicht ihrerseits ebenfalls einen Grund für die Ablehnung seines Antrags zu liefern. Vor diesem Hintergrund ist der Erklärungsgehalt des Durchstreichens im vorliegenden Fall als "Nein" zu bewerten.
Der Senat geht auch davon aus, dass diese objektiv falsche Angabe arglistig gemacht worden ist. Von einem arglistigen Verhalten ist auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist somit, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen oder dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache (vgl. Urteil des OLG Koblenz vom 11.4.2003 - 10 U 400/97). Zwar gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung dergestalt, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen immer in der Absicht gemacht wird, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Im vorliegenden Fall legt aber der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Ablehnung des Antrags bei der A.-Versicherung und dem Ausfüllen des hier relevanten Versicherungsantrags nahe, dass der Kläger bewusst die Antwort auf die Frage nach anderen gestellten Anträgen vermieden hat, damit die Beklagte insofern keine Nachforschungen anstellt, um dann möglicherweise ebenfalls zu einer Ablehnung zu kommen.
Der Senat nimmt in Aussicht, den Streitwert auf 48.400 EUR festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 2084130 |
VersR 2009, 53 |