Leitsatz (amtlich)
1. Vergessener Vorsorgeunterhalt kann nur im Wege eines Abänderungsantrags (§ 238 FamFG) erlangt werden, der jedoch erst zulässig ist, wenn sich die im Vorverfahren maßgebenden Verhältnisse für den dort seinerzeit geforderten Unterhalt wesentlich geändert haben (Anschluss an: BGH NJW 1985, 1701).
2. Der angemessene Lebensbedarf i.S.d. § 1578b BGB umfasst den gesamten Unterhalt, also einschließlich jedweden Vorsorgeunterhalts, auch falls dieser nicht geltend gemacht wurde. Auch in Fällen, in denen vergessener Vorsorgeunterhalt im Wege eines Abänderungsantrags (§ 238 FamFG) erlangt werden kann, bindet die Festsetzung des angemessenen Lebensbedarfs im Vorverfahren im Rahmen der Begrenzung bzw. Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts. Etwas anderes gilt nur, wenn Umstände vorliegen, die zu einer zwischenzeitlichen wesentlichen Erhöhung des angemessenen Lebensbedarfs führen (Anschluss an: BGH FamRZ 2013, 109).
3. Die Berücksichtigung des Wohnwerts im Zuge der Ermittlung des Altersvorsorgeunterhalts hat bezüglich eines dem Unterhaltsberechtigten einkommenserhöhend zugerechneten Wohnwerts regelmäßig zu unterbleiben. Beim Einkommen des Unterhaltsverpflichteten ist der Wohnwert demgegenüber stets anzusetzen (Anschluss an: BGH NJW 2000, 284, 288).
4. Die Möglichkeit, nach einer Stufenmahnung den Unterhalt rückwirkend zu beziffern, erlischt mit der erstmaligen rückwirkenden Bezifferung. Über diese Bezifferung hinausgehenden Unterhalt kann dann regelmäßig nur für die Zukunft begehrt werden (Anschluss an: BGH FamRZ 2013, 109).
Normenkette
BGB §§ 1578, 1578b; FamFG § 238
Verfahrensgang
AG Daun (Aktenzeichen 2a F 198/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Daun vom 05.01.2023, berichtigt durch Beschluss vom 23.01.2023, in Ziff. 1 und 2 seines Tenors teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Hattingen vom 12.03.2019, Az. 39 F 114/16, ab März 2021 zu nachehelichen Unterhaltszahlungen wie folgt verpflichtet:
- ab März 2021 bis August 2021 zusätzlich einen monatlichen Krankenvorsorgeunterhalt von 418,00 EUR;
- ab September 2021 bis April 2023 insgesamt einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 2.544,00 EUR als Elementarunterhalt, weitere 811,92 EUR als Altersvorsorgeunterhalt und weitere 418,00 EUR als Krankenvorsorgeunterhalt;
- ab Mai 2023 bis März 2025 insgesamt einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 3.234,47 EUR als Elementarunterhalt, weitere 968,00 EUR als Altersvorsorgeunterhalt und weitere 426,20 EUR als Krankenvorsorgeunterhalt;
- ab April 2025 einen monatlichen Gesamtunterhalt von 1.600,00 EUR.
Die weitergehende Beschwerde wird unter Abweisung der weitergehenden Unterhaltsanträge zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 23.475,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner im Wege eines Abänderungsverfahrens höheren als mittels Scheidungsverbundbeschlusses vom 12.03.2019 zuerkannten nachehelichen Unterhalt.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Hattingen hatte den Antragsgegner seinerzeit verpflichtet, an die für nicht arbeitsfähig gehaltene Antragstellerin bis einschließlich März 2025 einen monatlichen Elementarunterhalt von 2.335,35 EUR nebst einen monatlichen Altersvorsorgeunterhalt von 597,58 EUR zu zahlen und ab April 2025 einen monatlichen Elementarunterhalt von 230 EUR. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin in erster Instanz zuletzt die zusätzliche Zahlung von Krankenvorsorgeunterhalt ab Februar 2020 sowie des Weiteren ab September 2021 einen über die im Scheidungsverbundbeschluss zuerkannten Beträge hinausgehenden Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt beantragt. Hierzu hat sie sich auf veränderte Einkommensverhältnisse bei ihrerseits fortbestehender Erwerbsunfähigkeit berufen. Der Antragsgegner ist dem entgegen getreten. Eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse habe erst ab September 2021 stattgefunden, wobei bei ihm eine Einkommensverringerung zu verzeichnen sei und die Antragsgegnerin ausreichende Bemühungen zwecks Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht dargelegt habe.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Daun hat mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 05.01.2023 dem Abänderungsantrag teilweise stattgegeben. Es hat den Antragsgegner verpflichtet, ab März 2021 bis Juni 2022 zusätzlich einen Krankenvorsorgeunterhalt von 418,00 EUR/mtl. zu zahlen, angeordnet, dass ab Juli 2022 bis März 2025 jeweils monatlich 426,20 EUR Krankenvorsorge, 811,92 EUR Altersvorsorge- und 2.544,00 EUR Elementarunterhalt zu leisten sind sowie den geschuldeten Unterhalt ab April 2025 auf einen Elementarunterhalt von 1.600,00 EUR/mtl. festgesetzt. Diese Beträge ergäben sich unter Zugrundelegung der aktuellen Einkommensverhältnisse, des Zeitpunkts der Inverzugsetzung mit höherem Unterhalt und der Bindungswirkungen der abzuändernden Entscheidu...