Leitsatz (amtlich)
1. Die in § 1607 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnete Ersatz- bzw. Ausfallhaftung gilt auch zwischen den nach § 1606 Abs. 3 BGB grundsätzlich anteilig unterhaltspflichtigen Kindeseltern.
2. Eine erhebliche Erschwerung der Rechtsverfolgung i.S.d. § 1607 Abs. 2 Satz 1 BGB liegt in der Regel vor, wenn der Unterhaltsanspruch gegen einen im Ausland ansässigen Schuldner zu verfolgen ist.
3. Keine Verwirkung von Unterhalt bei leichter Körperverletzung ohne gravierende gesundheitliche Folgen bzw. gravierende Folge in der Außendarstellung des Angriffsopfers.
Normenkette
BGB §§ 1602, 1603 Abs. 1, § 1607 Abs. 2 S. 1, § 1611 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Mayen (Aktenzeichen 8c F 381/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Mayen vom 14.10.2022, Az. 8c F 381/21, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der seit dem 03.04.2018, seit dem 03.05.2018, seit dem 03.06.2018, seit dem 03.07.2018, seit dem 03.08.2018 und seit dem 03.09.2018 zuerkannten Zinsen unter insoweit teilweiser Antragsabweisung dahin abgeändert wird, dass die vorgenannten Zinsen erst jeweils ab 01.10.2018 zuerkannt werden.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.232,05 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das antragstellende Land macht im vorliegenden Rechtsstreit als BAföG-Leistungserbringer übergegangene Kindesunterhaltsansprüche geltend.
Der Antragsgegner ist der Vater des am 05.06.1992 geborenen ehemaligen Studenten D. Dieser kam im Alter von drei Jahren mit seinem Vater nach Deutschland. Die Kindesmutter blieb in der Türkei. Im Anschluss an sein Abitur und den Wehrdienst nahm D. ein Studium auf. Nach dem ersten Semester wechselte er an die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und unternahm dort ein duales Studium der Fitnessökonomie. Dabei wohnte er bis zum 22.06.2018 beim Antragsgegner und dessen Familie bei freier Kost und Logis. Das Studium schloss er am 07.08.2019 im Alter von 27 Jahren mit dem Erwerb des Bachelors of Arts ab.
In den Monaten April und Mai 2018 hatte der Antragsteller BAföG-Leistungen in Form von Vorausleistungen in Höhe von jeweils 44 EUR und in der Folgezeit bis einschließlich Juni 2019 in Höhe von 242 EUR/mtl. an den Studenten erbracht. Hierüber wurde der Antragsgegner mit Schreiben vom 24.04.2018 informiert; eine Übergangsanzeige erfolgte mit Schreiben vom 03.09.2018.
Der Antragsgegner war im hier streitgegenständlichen Zeitraum als Oberarzt im M...klinikum N. beschäftigt und erzielte im Jahr 2018 damit ein Bruttoeinkommen von 174.402 EUR. Er bewohnte mit seiner Ehefrau und weiteren aus dieser Beziehung hervorgegangenen Kindern ein in seinem Eigentum stehendes Einfamilienhaus.
Das Familiengericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung 3.232,05 EUR (2 × 43,87 EUR + 13 × 241,87 EUR) nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten verpflichtet. Zur Begründung hat es in der angefochtenen Entscheidung, auf welche wegen der Einzelheiten verwiesen wird, im wesentlichen ausgeführt, dass sich aus dem Nettoeinkommen des Antragsgegners unter Berücksichtigung dessen weiterer Unterhaltspflichten ein Unterhaltsanspruch des D. ermittle, der auch nach Abzug der um den pauschalen Ausbildungsbedarf bereinigten Ausbildungsvergütung (480 EUR - 100 EUR) und des bis einschließlich April 2018 gezahlten vollen Kindergeldes (194 EUR) die BAföG-Leistungen nicht unterschreite. Während der Antragsgegner seine Leistungsfähigkeit nicht in Frage stelle, dringe er weder mit dem Einwand einer infolge Barunterhaltsleistung und aufgrund von Nebeneinkünften fehlenden Bedürftigkeit seines Sohnes durch, noch sei dessen Unterhaltsanspruch verwirkt. Mit den vom Antragsgegner in den Monaten April bis Juni 2018 erbrachten Leistungen für Unterkunft und Verpflegung sei nicht der gesamte Barunterhaltsanspruch erfüllt. Die hier geltend gemachten Beträge von 43,87 EUR/mtl. gingen nicht über den damit bestehenden Restbarunterhaltsanspruch hinaus. Nebeneinkünfte in einem hier erzielten Umfang von rund 480 EUR/mtl. seien bei einem Studenten anrechnungsfrei, wenn - wie vorliegend - kein Unterhalt gezahlt werde. Der - bestrittene - körperliche Angriff seines Sohnes gegen ihn am 22.06.2018 sei schließlich nach Art, vom Antragsgegner geschildertem Hergang und im Hinblick auf die Folgen sowie mit Rücksicht auf die guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners nicht als eine zum Ausschluss des Unterhaltsanspruchs führende schwere Verfehlung, sondern als einmaliges unterhaltsrechtlich sanktionslos bleibendes Fehlverhalten zu werten.
Gegen diese, ihm am 18.10.2022 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsgegner in vollem Umfang mit seiner am 11.11.2022 beim Familiengericht eingegangenen und binnen verlängerter Frist gegenüber dem Senat begründeten Beschwerde. Er verweist nochmals darauf, seinem Sohn bis zum 22.06.2018 Naturalunterhalt in Form von Kost und Logis gewährt zu h...