Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche und zeitliche Komponente des familienrechtlichen Bezugs eines Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Der in § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG erforderliche Zusammenhang hat eine inhaltliche und zeitliche Komponente.
2. Die inhaltliche Komponente erfordert, dass das Verfahren vor allem die wirtschaftliche Entflechtung der vormaligen Ehe betrifft. Der Rechtsstreit muss also durch die familienrechtlichen Verhältnisse nicht unwesentlich mitgeprägt sein. Nicht ausreichend ist demgegenüber ein völlig untergeordneter familienrechtlicher Bezug. Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe müssen vielmehr in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht gerade für die geltend gemachte Rechtsfolge ursächlich sein.
Normenkette
FamFG § 111 Nr. 10, § 266 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Bad Kreuznach (Beschluss vom 24.02.2015; Aktenzeichen 90 F 195/14) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bad Kreuznach vom 24.02.2015 abgeändert.
2. Der beschrittene Rechtsweg zu den Familiengerichten ist unzulässig; zulässig ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten.
3. Die Sache wird an das zuständige LG Bad Kreuznach verwiesen.
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
5. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die nach §§ 17a Abs. 6, Abs. 4 S. 3 GVG, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde (vgl. Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 17a GVG Rn. 15) ist begründet.
Zuständig für das vorliegende Verfahren sind die ordentlichen Gerichte; ein Fall der §§ 111, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG liegt nicht vor.
Nach § 266 Abs. Nr. 3 FamFG sind "sonstige Familiensachen" Verfahren, die (u.a.) Ansprüche zwischen ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe betreffen. Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium ist dabei nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. In den Fällen des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG muss allerdings ein Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe bestehen. Auf diese Weise soll die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten außerhalb des Güterrechts den Familiengerichten zugewiesen werden. Dabei hat der Begriff des Zusammenhangs nach der Gesetzesbegründung eine inhaltliche und eine zeitliche Komponente (vgl. BGH, FamRZ 2013, 281, 282).
Ein inhaltlicher Zusammenhang liegt vor, wenn das Verfahren vor allem die wirtschaftliche Entflechtung der vormaligen Ehegatten betrifft. Bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise ist § 266 Abs. 1 S. 3 FamFG anwendbar, wenn der Rechtsstreit durch die familienrechtlichen Verhältnisse nicht unwesentlich mitgeprägt ist. Auszuscheiden sind die Fälle, in denen der familienrechtliche Bezug völlig untergeordnet ist. Ein inhaltlicher Bezug ist vor allem bei naheliegenden und häufig vorkommenden Folgen oder Begleiterscheinungen der Beendigung einer Ehe gegeben. Der erforderliche Zusammenhang kann rechtlicher oder wirtschaftlicher Art sein. Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe müssen jedenfalls in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für die geltend gemachte Rechtsfolge ursächlich sein (vgl. BGH, FamRZ 2013, 281, 282).
Vorliegend besteht kein inhaltlicher Zusammenhang des geltend gemachten Anspruchs mit der Trennung bzw. Scheidung der vormaligen Eheleute. Die Eheleute hatten Gütertrennung vereinbart.
Mit notariellem Vertrag vom 15.10.1984 übertrug der Ehemann der Ehefrau das hier betroffene Hausgrundstück in ... [Z]; zugleich wurde dem Ehemann ein lebenslanges, unentgeltliches, uneingeschränktes Wohnungsrecht unter Ausschluss der Eigentümerin (§ 1093 BGB) eingeräumt. 1989 trennten sich die Eheleute, am 17.12.1990 wurde die Ehe geschieden. Spätestens seit 1992 nutzte der Ehemann das Hausgrundstück alleine bis zu seinem Tod am 24.05.2012. Die Ehefrau hat das Grundstück erst nach seinem Tod wieder betreten.
In dem vorliegenden Verfahren macht die Ehefrau Ansprüche in Höhe von insgesamt rund 600.000 EUR geltend, die zu einem geringen Teil (5.164,87 EUR) auf zum Zeitpunkt des Todes des Ehemannes noch offenstehenden Abgabenbescheiden für das Grundstück, zum überwiegenden Teil aber auf Kosten gründen, die nach dem Vortrag der Ehefrau dadurch entstanden sein sollen, dass der Ehemann während der Zeit seiner ausschließlichen Nutzung "massive Schäden verursacht hatte, das Haus und das Grundstück vollkommen hat verwahrlosen lassen, keinerlei erforderliche Erhaltungsmaßnahmen und Wartungsarbeiten durchgeführt h...