Entscheidungsstichwort (Thema)
Betäubungsmittelstrafrecht: Zurückstellung der Strafvollstreckung
Leitsatz (redaktionell)
1. § 35 BtMG eröffnet nicht nur Musterpatienten, sondern auch Risikopatienten eine Therapiechance. Die Zurückstellung der Strafvollstreckung setzt daher z.B. kein besonderes Durchhaltevermögen oder eine günstige Zukunftsprognose voraus. Vielmehr soll gerade in Fällen schlechter Prognose drogenabhängigen Verurteilten die Möglichkeit eröffnet werden, im Wege der Drogentherapie ihre Suchtprobleme aufzuarbeiten.
2. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Weg aus der Drogensucht regelmäßig mit mehreren gescheiterten Therapieversuchen, strafrechtlichen Rückfällen oder Fehlverhalten im Strafvollzug verbunden sein kann.
Verfahrensgang
StA Trier (Gerichtsbescheid vom 17.05.2005; Aktenzeichen 8023 VRs 2113/04) |
Gründe
Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Trier hat den Antragsteller gemeinsam mit seinem Bruder AXXX BXXX durch Urteil vom 17. Februar 2004 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in zwei Fällen in Tateinheit mit gewerbemäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt, die derzeit in der Justizvollzugsanstalt XXX vollstreckt wird. Zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe werden am 23. November 2005 verbüßt sein, das Strafzeitende ist auf den 23. Februar 2007 notiert.
Durch Schreiben vom 8. Februar 2005 hat der Verfahrensbevollmächtigte für den Verurteilten einen Antrag auf Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG gestellt und eine Kostenübernahmezusage der LVA Rheinland-Pfalz vom 18. Januar 2005 vorgelegt. Nachdem der Verurteilte sein Einverständnis zur Maßnahme nach § 35 BtMG erklärt hat, stimmte die 1. große Strafkammer des Landgerichts Trier durch Beschluss vom 28. März 2005 der Zurückstellung gemäß § 35 BtMG zu.
Mit Schreiben vom 28. April 2005 legte der Verurteilte eine Therapieplatzzusage der Fachklinik XXX in XXX vom 19. April 2005 vor, in der als Therapiebeginn der 23. Mai 2005 notiert war. Die Staatsanwaltschaft Trier hat anschließend durch Bescheid vom 4. Mai 2005 die Vollstreckung des noch zu verbüßenden Strafrestes auf die Dauer der Kostenzusage und der Therapie, längstens aber von einem Jahr, zurückgestellt.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2005 hat die Justizvollzugsanstalt in XXX der Staatsanwaltschaft Trier mitgeteilt, dass gegen den Verurteilten ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, weil er versucht hatte, die angeordnete Postkontrolle zu umgehen. Hierbei wurde ein Brief des Verurteilten an einen "VXXX" sichergestellt, der in russischer Sprache verfasst war und dessen Inhalt in der Übersetzung wie folgt lautet:
"Hallo VXXX,
ich werde nicht viel schreiben, ich begrenze mich auf wenige Zeilen. EXXX geht zur Therapie und nimmt diesen Brief mit für Dich. Ich wollte Dich heute anrufen, aber die neue TK-Karte war defekt. Deswegen schreibe ich noch schnell diesen Brief mit einer Bitte. Zuerst teile ich dir mit, dass mein Aufnahmetermin am 12.07.05 ist. Ich gehe in die LXXX, das ist nicht mehr lange hin. Vorgestern ist TXXX zu uns gekommen, mein ehemaliger Zellenkollege. Seine Bewährung wurde widerrufen.
VXXX, - jetzt die Hauptsache, - ich möchte Dich bitten, dass bei Dir alles klargeht, andere Möglichkeiten gibt's nicht, - und ich möchte deswegen nicht mehr fragen müssen. Für den 07.05.2005 habe ich mich mit einem Deutschen verabredet, - er wird nur für mich - entgegennehmen. Ich brauche eine - ACHT - (8 Stück?). Ich werde Dir sagen wozu, wenn ich Dich anrufe.
Der Deutsche wird um 11:00 bei EXXX warten, draußen bei den Einkaufswagen. Er ist dick, nicht groß und trägt eine Brille. Die Schwester von der "Schlange" sollte nächste Woche zu Besuch kommen, vielleicht ruft sie Dich nach dem Besuch an, wenn irgendwelche Veränderungen eingetreten sind. Mein Bruder ist noch nicht weg, und ich weiß auch noch nicht, wann er geht.
Damit schließe ich und umarme Dich fest. EXXX."
Zwischenzeitlich hat die Staatsanwaltschaft Trier zudem bemerkt, dass der ursprüngliche zustimmende Bescheid vom 4. Mai 2005 insoweit fehlerhaft war, als versehentlich die Therapiedaten des Bruders des Verurteilten, AXXX BXXX, der ebenfalls eine Drogentherapie antreten sollte, aufgenommen worden waren.
Daher hat die Staatsanwaltschaft Trier unter dem 17. Mai 2005 den ursprünglichen Bescheid vom 4. Mai 2005 im Hinblick auf die fehlerhaften Therapiedaten aufgehoben und zudem den Antrag auf Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG nunmehr zurückgewiesen.
Im Hinblick auf die Zurückweisung dieses Antrages stützt sich die Staatsanwaltschaft Trier im Wesentlichen auf den Inhalt des vorgenannten Briefes, dessen Urheberschaft sowie die Tatsache, dass er ihn an der Postkontrolle vorbeischmuggeln wollte, der Verurteilte eingeräumt hat.
Aus d...