Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine die Nichterhebung von Kosten rechtfertigende unrichtige Sachbehandlung durch umfassendes Versäumnisurteil ohne Wiederholung der Hinweise nach § 276 Abs. 2 ZPO bei Zustellung einer Klageerweiterung
Leitsatz (amtlich)
Ist das gesamte Verfahren durch einen Vergleich beendet worden, der keine Gebührenermäßigung nach 1211 KV - GKG bewirkt, weil zuvor im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erging, kann keine die Nichterhebung von Gerichtskosten rechtfertigende unrichtige Sachbehandlung darin gesehen werden, dass das Gericht eine nachgereichte Klageerweiterung nicht mit einer erneuten förmlichen Belehrung über die möglichen Säumnisfolgen zugestellt hat.
Normenkette
GKG §§ 21, 29 Nr. 2, § 66; GKG-KV Nrn. 1210-1211; ZPO § 276 Abs. 2, § 331 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 27.10.2011; Aktenzeichen 2 O 240/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Mainz vom 27.10.2011 wird zurückgewiesen.
Dass Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Aufgrund formgerechter Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens mit Aufforderung zur Verteidigungsanzeige hat der originär zuständige Einzelrichter des LG am 17.1.2011 ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen. Zuvor geänderte Klageanträge hatte er der Beklagten am 30.12.2010 ohne erneute Belehrungen zugestellt.
Nach wirksamem Einspruch der Beklagten haben die Parteien am 29.9.2011 einen Vergleich geschlossen, mit dem sich die Beklagte u.a. verpflichtete, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Versäumnisurteil sei zu Unrecht erlassen worden, die dadurch entstandenen Mehrkosten (keine Reduzierung der Gerichtsgebühren) seien nicht zu erheben.
Das sieht der Einzelrichter des LG anders und hat mit dem angefochtenen Beschluss die Niederschlagung der Gerichtskosten i.H.v. 530 EUR (über den Betrag von 265 EUR hinaus) abgelehnt.
II. Die gem. § 66 Absatz II GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Eine unrichtige Sachbehandlung durch das LG i.S.d. § 21 GKG liegt nicht vor.
II.1. Das Versäumnisurteil ist zu Recht ergangen, die Voraussetzungen für den Erlass ohne mündliche Verhandlung waren gegeben. Der Einzelrichter hat die Schriftsätze des Klägers vom 17.11.2010, vom 10.12.2010 und vom 23.12.2010 mit den geänderten Klageanträgen der Beklagten am 30.12.2011 zugestellt. Eine erneute Belehrung mit Fristsetzung zur Verteidigungsanzeige und Klageerwiderung war nicht erforderlich (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 263 Rz. 11). Das rechtliche Gehör der Beklagten ist nicht verletzt, sie konnte innerhalb der nach der Zustellung verbleibenden Zeit, aber auch noch im Einspruchsverfahren ausreichend zum Sachverhalt und zu den neuen Anträgen Stellung nehmen.
II. 2. Selbst wenn man den Argumenten der Beschwerde folgend einen Verfahrensfehler des LG unterstellte, rechtfertigte dies nicht die beantragte Niederschlagung der Gerichtskosten. Denn eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 21 GKG erfordert nach ständiger Rechtsprechung einen Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen, der offen zu Tage tritt (Hartmann Kostengesetze, 41. Aufl., § 21 GKG, Rz. 8-11). Ein "leichter Verfahrensverstoß" reicht in der Regel nicht, um von der Erhebung von Kosten abzusehen (BGH MDR 2005, 956).
Hat das LG gestützt auf und durch die Kommentierung eines anerkannten Praxiskommentars des Zivilrechts das Versäumnisurteil ohne erneute Belehrung und Fristsetzung im schriftlichen Vorverfahren erlassen, so kann auch bei unterstellter umstrittener Rechtslage ein eindeutiger Verfahrensstoß nicht angenommen werden.
Die Beschwerde ist zurückzuweisen. Der Kostenausspruch beruht auf § 66 Absatz VIII GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 2971190 |
JurBüro 2012, 435 |