Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Beweiswürdigung. Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Geht der Tatrichter davon aus, dass sich der Angeklagte an einem Tag von seinem Wohnsitz aus in die Niederlande begeben, dort Heroin erworben hat und am selben Tag wieder an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist, darf er ohne tatsächliche Anhaltspunkte nicht unterstellen, der Angeklagte habe auf der Hinfahrt die Bahn, auf der Rückfahrt jedoch ein anderes Verkehrsmittel benutzt, wenn der Angeklagte nachweist, dass der angenommene Zeitrahmen bei Benutzung der Bahn auf dem Hin- und Rückweg nicht hätte eingehalten werden können.
2. a) Nach § 64 Satz 2 StGB darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und damit von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen. Dafür ist erforderlich, dass sich in Persönlichkeit und Lebensumständen des Verurteilten konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Verlauf der Therapie finden lassen.
b) Eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg kann grundsätzlich auch bei einem noch therapieunwilligen Angeklagten bestehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Erwartung bestehen, er werde sich im Maßregelvollzug nach einer gewissen Anpassungszeit der Notwendigkeit der Behandlung öffnen und an ihr mitwirken.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 16.10.2008) |
Tenor
1. Auf Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. Oktober 2008
a) mit den Feststellungen zum Tatgeschehen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tatzeit: 11. Dezember 2007) verurteilt ist,
b) im Schuldspruch im Übrigen dahin abgeändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen schuldig ist,
c) im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit eine Gesamtstrafe gebildet und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an einen anderen gleichrangigen Spruchkörper desselben Gerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I. Amtsgericht und Berufungskammer haben den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge (15,6 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 35%; Tatzeit: 11. Dezember 2007) und wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 8 Fällen (Tatzeiten: September/Oktober 2007) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Im Berufungsurteil wurde außerdem (erstmals) die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
II. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen der Tat von 11. Dezember 2007 und die Anordnung der Unterbringung richtet; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Nach den tatrichterlichen Feststellungen fuhr der Angeklagte am frühen Morgen des 11. Dezember 2007 mit dem Zug von ... (X) nach ... (Y), erwarb dort 15,6 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 35% teils zum Eigenkonsum, überwiegend aber Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs und kehrte noch am selben Tag nach ... (X) zurück. Das Heroin wurde am 12. Dezember 2007 bei einer Personenkontrolle sichergestellt.
Der Angeklagte hat die Einfuhrhandlung in der Berufungshauptverhandlung bestritten.
a) Soweit die Kammer ihre gegenteilige Überzeugung darauf stützt, dass der Angeklagte vor dem Amtsgericht ein umfassendes Geständnis abgelegt habe, fehlt eine tragfähige Auseinandersetzung mit seiner Behauptung, er habe dies nur getan, weil ihm eine mildere Bestrafung - 3 Jahre und 4 Monate Freiheitsstrafe - ohne Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Aussicht gestellt worden sei.
Die Kammer hat insoweit ausführt:
"Zwar behauptet er nun, seine früheren Angaben seien falsch. Die Begründung für sein Aussageverhalten vor dem Amtsgericht, wonach er die Taten nur deshalb gestanden habe, weil er sich eine mildere Bestrafung, nämlich die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten, erhofft habe, ist jedoch logisch nicht nachvollziehbar und daher nicht überzeugend. Denn der Angeklagte hat schließlich genau das erreicht, was er mit seinem Geständnis anstrebte."
Letzteres besagt allerdings nichts über die (Un-)Richtigkeit des vor der Urteilsverkündung erster Instanz abgegebenen Geständnisses. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Ange...