Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung für Streitgenossen mit gemeinsamem Bevollmächtigten aber unterschiedlichem Prozessergebnis
Leitsatz (amtlich)
1. Der obsiegende Streitgenosse kann die gesamten von ihm geschuldeten Gebühren des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vom Prozessgegner erstattet verlangen, wenn der Anwalt wegen der Zahlungsunfähigkeit des unterlegenen anderen Streitgenossen von diesem keine Vergütung erhält.
2. Die Behauptung, der gemeinsame Anwalt habe von dem nunmehr zahlungsunfähigen Streitgenossen einen anzurechnenden Vorschuss erhalten, muss vom Kostenerstattungspflichtigen glaubhaft gemacht werden.
Normenkette
ZPO §§ 91, 100, 104, 106
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 05.07.2011; Aktenzeichen 4 O 319/10) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungs- beschluss des LG Mainz vom 5.7.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 1.914,71 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrte von den Beklagten als Gesamtschuldnern eine Maklerprovision von 114.950 EUR nebst Zinsen. Beide Beklagten wurden im Hauptsacheverfahren von dem gleichen Bevollmächtigten vertreten. Das LG hat die Beklagte zu 1) antragsgemäß verurteilt, die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen. Die Kostenentscheidung lautet:
"Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) zur Hälfte. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) die der Klägerin zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst."
Am 6.5.2011 hat der Beklagte zu 2) die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten in Höhe der 1,3-Verfahrensgebühr, der 1,2-Terminsgebühr und der weiteren Auslagen gegen die Klägerin beantragt. Dem ist die Klägerin unter Hinweis auf die Anwendung des Kopfteilprinzips nach § 100 ZPO entgegengetreten. Der Beklagte zu 2) hat dem widersprochen, weil die Beklagte zu 1) zahlungsunfähig und das Insolvenzverfahren eingeleitet sei.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5.7.2011 hat die Rechtspflegerin beim LG Mainz die Kosten in beantragter Höhe festgesetzt. Da die Beklagte zu 1) zahlungsunfähig sei, dürfe der Beklagte zu 2) die ihm entstandenen Kosten in voller Höhe und nicht nur den auf die Kopfteile entfallenden Anteil festsetzen lassen.
Gegen den ihm am 7.7.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.7.2011 eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin. Es sei nicht dargetan, dass die Beklagte zu 1) keinen Vorschuss gezahlt habe und der Beklagte zu 2) einen "entsprechenden Zufluss hat". Der Beklagte zu 2) sei Gesellschafter der Beklagte zu 1) und deren langjähriger Geschäftsführer gewesen. Nur aus Gründen der Stellung eines Zeugen sei er aus der Organstellung herausgelöst worden.
Der Beklagte zu 2) ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt, dass kein Vorschuss gezahlt worden sei. Im Übrigen seien die Einwände unerheblich. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit Beschluss vom 19.10.2011 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Nach der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur steht dem obsiegenden Streitgenossen grundsätzlich nur ein Anspruch auf Erstattung eines seiner wertmäßigen Beteiligung entsprechenden Bruchteils an den Kosten des gemeinsamen Rechtsanwaltes der Streitgenossen zu (OLG Stuttgart, JurBüro 1990, 625; OLG Karlsruhe, JurBüro 1992, 546; OLG Düsseldorf, JurBüro 1993, 355 mit zust. Anm. Mümmler; OLG München, MDR 1993, 804 und 1994, 215; OLG Oldenburg MDR 1994, 416; OLG Karlsruhe, ZS Freiburg, Rpfleger 1994, 316; OLG Dresden NJW-RR 1999, 293; Belz in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 91 Rz. 90; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rz. 13, Stichwort "Streitgenossen" unter 3)) Dem hat sich der BGH in der von dem Beklagten zu 2) zitierten Entscheidung vom 30.4.2003 (VIII ZB 100/02, NJW-RR 2003, 1217 = JurBüro 2004, 197 = Rpfleger 2003, 537) angeschlossen. Auch der Senat folgt diesen Grundsätzen (Beschl. v. 13.2.2007 - 14 W 91/07, AGS 2007, 544).
Eine Ausnahme wird aber dann gemacht, wenn ein Ausgleichsanspruch zwischen den Streitgenossen im Innenverhältnis an der Zahlungsunfähigkeit des ausgleichspflichtigen Streitgenossen scheitert. Der obsiegende Streitgenosse hat dann einen Erstattungsanspruch nicht nur in anteiliger, sondern in voller Höhe gegen den Prozessgegner (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Koblenz v. 13.7.2007 - 14 W 91/07, AGS 2007, 544 = JurBüro 2007, 370 = OLGR 2007, 563; OLG Koblenz vom 16.8.1999,14 W 528/99 JurBüro 2000, 145 und vom 22.5.1991 - 14 W 264/91, JurBüro 1991, 1542).
So liegt der Fall hier. Der Beklagte zu 2) hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) Insolvenzantrag gestellt hat. Dies hat er durch Vorlage des Beschlusses des AG Bonn vom 20.5.2011 im Verfahren XXX glaubhaft gemacht. Über die amtliche Auskunftsstelle www.insolvenzbekanntmachungen.de ist inzwischen gerichtsbekannt, dass der Insolvenzantrag ...