Leitsatz (amtlich)
Wird beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung danach gefragt, ob in den letzten 10 Jahren Krankheitssymptome an Wirbelsäule, Bandscheiben, Gelenken, Knochen bestehen oder bestanden haben, so ist eine fortdauernde Bewegungseinschränkung der Schulter mit Versteifung des linken Handgelenks auch dann anzugeben, wenn der diese Beeinträchtigung verursachende Unfall außerhalb des 10-Jahreszeitraums liegt.
Die Frage "Nehmen oder nahmen sie in den letzten 10 Jahren Drogen, Medikamente, Betäubungs- oder Rauschmittel? Wurden sie wegen der Folgen von Alkoholgenuß in den letzten 10 Jahren beraten oder behandelt?" erfasst auch eine ärztliche Beratung, die im Zusammenhang mit einer medizinisch psychologischen Untersuchung (MPU) aufgrund eines Entzugs der Fahrerlaubnis steht (in Anknüpfung an OLG Koblenz, Urt. v. 16.3.2001, OLGReport Koblenz 2001, 376 = NVersZ 2001, 413 = r+s 2001, 339; v. 18.1.2002 - 10 U 374/01, NVersZ 2002, 260 = VersR 2002, 1091 = ZfS 2002, 591; v. 31.5.2002 - 10 U 1039/01, OLGReport Koblenz 2002, 339; Beschl. v. 8.9.2003, VersR 2004, 229 = R+S 2004, 295 = NJOZ 2003, 3443).
Normenkette
VVG §§ 16 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 24.06.2004; Aktenzeichen 6 O 340/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Trier vom 24.6.2004 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die er am 18.9.2001 abgeschlossen hatte, fortbesteht.
Den Antrag zum Abschluss der Versicherung (GA 54) füllte der seinerzeit für die Vorgängerin der Beklagten tätige Zeuge H. aus. Sämtliche Gesundheitsfragen sind mit "nein" angekreuzt, auch die Frage d) "Nehmen oder nahmen Sie in den letzten 10 Jahren Drogen, Medikamente, Betäubungs- und Rauschmittel? Wurden Sie wegen der Folgen von Alkoholgenuss in den letzten 10 Jahren beraten oder behandelt?"
Die Frage h) nach dem behandelnden Arzt in den letzten 5 Jahren wurde dahingehend beantwortet, dass der Arzt Dr. B. in W. benannt wurde. Der Kläger hat 1980 einen Unfall erlitten, als dessen Folge der linke Unterarm im Handgelenk steif ist. Ferner hat der Kläger Ende 1998 wegen einer Trunkenheitsfahrt mit mehr als 2 Promille BAK-Wert den Führerschein verloren. 1999 hat er ihn wiederbekommen, nachdem eine medizinisch psychologische Untersuchung (MPU) durchgeführt worden ist. Am 24.4.2003 übersandte der Kläger der Beklagten erneut den Antrag vom 18.9.2001, ergänzt mit folgendem Zusatz: "Unfall 1980, linker unter Arm Handgelenk steif".
Die Beklagte erhob auf diese Nachricht hin einen Hausarztbericht und erklärte mit Schreiben vom 14.7.2003 (Bl. 6 d.A.) den Rücktritt. Zur Begründung führte sie aus, aus den ihr jetzt zugegangenen Befunden und Angaben ergebe sich, dass der Kläger erst seit 10/1998 alkoholabstinent sei, ferner sei der Beklagten bei Antragstellung der Unfall mit Trümmerbruch und darauf zurückführender Bewegungseinschränkung der linken Schulter mit Versteifung des linken Handgelenks nicht bekannt gewesen. Wäre dies bekannt gewesen, hätte sie den beantragten Versicherungsschutz nicht gewährt.
Der Kläger bestreitet, bei Antragstellung am 18.9.2001 falsche Angaben gemacht zu haben. Die Behinderungen des linken Arms seien dem Zeugen H., der den Antrag aufgenommen habe, bekannt gewesen, außerdem seien sie sichtbar. Wegen Alkoholmissbrauchs sei er nie behandelt worden. Er sei nur wegen eines einmaligen "Ausrutschers" in Bezug auf Alkohol beim Arzt gewesen. Dies hätte er nicht angeben müssen.
Die Beklagte hält ihren Rücktritt für berechtigt, weil der Kläger die Gesundheitsfragen, insb. die Frage nach Behandlung einer Alkoholkrankheit falsch beantwortet habe. Der Kläger sei wegen Alkoholkrankheit behandelt worden. Eine Wertung, ob er diese Frage zu beantworten habe, stehe dem Kläger nicht zu.
Die Beklagte hat bestritten, dass der Zeuge H. aufgrund des persönlichen Kontakts mit dem Kläger von der Behinderung des linken Arms Kenntnis hatte. Zudem habe es sich insoweit um privates Wissen des Vertreters gehandelt, das ihr nicht zuzurechnen sei.
Das LG hat nach Beweiserhebung der Feststellungsklage entsprochen und festgestellt, dass der Versicherungsvertrag zu unveränderten Bedingungen fortbestehe. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, hinsichtlich des Unfalls aus dem Jahre 1980 stehe der Beklagten kein Rücktrittsrecht zu, da dieser sich mehr als 20 Jahre vor Antragstellung ereignet habe. Die Behandlungen seien außerhalb des 10-Jahreszeitraums erfolgt. Die Frage nach dem Alkoholgenuss sei ebenfalls nicht falsch beantwortet worden, weil der Kläger wegen der Folgen des Alkoholgenusses mit...