Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorrang des pflichtteilsberechtigten Erben

 

Leitsatz (amtlich)

Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 2328 BGB ist im Weg der Einrede geltend zu machen und nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.

Die Geltendmachung der Einrede kann dazu führen, dass der Pflichtteilsberechtigte darauf verwiesen ist, gegen den seinerseits pflichtteilsberechtigten Erben nach § 2329 BGB - mit der Verjährungsfrist nach § 2332 Abs. 2 BGB - vorzugehen.

Die Geltendmachung der Einrede erst im zweiten Rechtszug kann zur Kostenbelastung nach § 97 Abs. 2 ZPO führen.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 06.11.2008; Aktenzeichen 1 O 440/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 6.11.2008 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 95,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger macht im Wege der Stufenklage gegen den Beklagten Ansprüche auf Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung geltend.

Die Parteien sind die Kinder der am ... 1.1999 verstorbenen A. Der Beklagte ist aufgrund eines Testaments der Erblasserin vom 1.6.1998 deren Alleinerbe geworden.

Nachdem der Beklagte in einem ersten Teilurteil vom 22.2.2004 zur Auskunftserteilung und durch ein weiteres Teilurteil vom 16.2.2006 dazu verurteilt wurde, mittels Sachverständigengutachten über den Wert eines ihm von der Erblasserin übertragenen Hausgrundstücks Auskunft zu erteilen und die Richtigkeit seiner Auskunft insgesamt an Eides statt zu versichern, begehrt der Kläger nunmehr auf der dritten Stufe die Auszahlung seines Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs.

Unstreitig bestehen Nachlassaktiva in Höhe eines Guthabens der Erblasserin bei der. sparkasse von 635,63 EUR und Nachlasspassiva i.H.v. 4.259,97 EUR. Im Übrigen besteht sowohl dem Grund als auch der Höhe nach Streit über die bei der Berechnung des Pflichtteils- und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zugrunde zu legenden Vermögenspositionen.

Der Kläger hat vorgetragen:

Dem Aktivnachlass hinzuzurechnen sei ein - unstreitig - vom Beklagten kurz vor dem Tod der Erblasserin abgehobener Geldbetrag i.H.v. 12.000 DM, so dass sich ein Pflichtteilsanspruch i.H.v. 1.778,19 EUR ergebe. Zudem habe der Beklagte aufgrund des notariellen Vertrages vom 18.7.1997, beginnend mit dem 1.8.1997, an die Erblasserin einen monatlichen Betrag i.H.v. 500 DM zu zahlen gehabt, was nicht erfolgt sei und folglich die Aktiva um weitere 9.000 DM erhöhe. Schließlich habe er, der Kläger, einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung aufgrund eines dem Beklagten mit notariellem Vertrag vom 18.7.1997 schenkweise übertragenen Hausgrundstücks im Wert von 363.633 EUR abzgl. der als Gegenleistung übernommenen Rente im Wert von kapitalisiert 39.552 DM und der vom Beklagten diesbezüglich übernommenen Darlehensbelastungen i.H.v. 37.644,06 EUR, so dass sich der Ergänzungsanspruch auf 76.441,58 EUR belaufe.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 78.219,77 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2002 zu zahlen sowie darüber hinaus an ihn 95,75 EUR Zwangsvollstreckungskosten nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen:

Der Betrag i.H.v. 12.000 EUR sei bereits deshalb nicht dem Nachlass hinzuzurechnen, weil der Beklagte diesen Betrag nach ausdrücklicher Erklärung der Erblasserin für Dienstleistungen habe erhalten sollen, die der Erblasserin zugute gekommen seien. Die monatliche Rente i.H.v. 500 DM sei regelmäßig, teilweise in bar und teilweise durch Verrechnung mit Ausgaben, die der Beklagte für die Erblasserin ausgelegt habe, beglichen worden bzw. sie sei ihm erlassen worden, weil die Rentenzahlungen durch Leistungen, die der Beklagte ihr ggü. erbracht habe, kompensiert worden seien. Bei der Übertragung des Hausgrundstücks habe es sich nicht um eine Schenkung, und zwar auch nicht um eine gemischte Schenkung, gehandelt. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Vertragsschließenden die Bezeichnung "Übertragungsvertrag" gewählt hätten. Außerdem habe sich die Erblasserin bereits im Zuge ihrer Scheidung ggü. ihrem damaligen Ehemann, dem Vater des Beklagten, mittels Vergleich vom 7.3.1962 verpflichtet, eine...

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