Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an gutgläubigen Erwerb eines gestohlenen Fahrzeugs
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb kann ausscheiden, wenn der Verkäufer das veräußerte Fahrzeug unterschlagen hat und sich unter Vorweisen des scheinbar zum Fahrzeug gehörenden Kraftfahrzeugbriefs als der darin bezeichnete Eigentümer ausgibt.
2. Wird ein gestohlenes Wohnmobil im Internet unter Angabe einer Handynummer zum Verkauf angeboten, reicht die Aushändigung eines scheinbar echten Fahrzeugbriefs nicht aus, um Gutgläubigkeit des Erwerbers zu begründen, wenn daneben zahlreiche Indizien darauf deuten, dass der Verkäufer nicht der Eigentümer ist (hier: fehlende Papiere und Schlüssel; Barzahlung eines hohen Betrages auf einem Parkplatz; eklatante Rechtschreibschwäche eines angeblichen Polizisten).
Normenkette
BGB §§ 164, 929, 932, 952, 985; StVZO § 25; StGB §§ 263, 246
Tatbestand
Der Kläger hatte im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit ein Wohnmobil im Wert von ca. 31.000 EUR vermietet. Wenig später wurde das Fahrzeug im Internet unter Angabe einer Handy-Nummer zum Preis von 24.500 EUR zum Verkauf angeboten. Die beklagte Käuferin hat das Fahrzeug nach telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Anbieter, der sich als Polizeibeamter ausgab, auf einem Parkplatz besichtigt und bei einem zweiten Treffen einen schriftlichen Kaufvertrag mit dem Anbieter geschlossen, der als Verkäufer den Namen des Klägers aufwies. Der Kaufpreis wurde in bar gezahlt. Die Beklagte erhielt einen Satz Schlüssel, mit denen sich die Zündung betätigen ließ sowie die Toilette und das Fahrraddepot geöffnet werden konnte. Der Safeschlüssel passte nicht. Der Verkäufer übergab der Beklagten den Kfz-Brief, mit dem diese die Ummeldung auf ihren Namen erreichte. Später stellte sich heraus, dass er Kfz-Brief gefälscht war. Der Kläger begehrt als Eigentümer Herausgabe des Fahrzeugs, die Beklagte wendet gutgläubigen Erwerb ein. Das erstinstanzliche Gericht sah in der Übergabe der Schlüssel und des Kfz-Briefs eine ausreichende Legitimation des Verkäufers. Demgegenüber verfolgt der Kläger seinen Herausgabeanspruch mit der Berufung weiter. Er meint, die Beklagte habe angesichts des überaus günstigen Kaufpreises außerordentlich unkritischen gehandelt. Erkennbar seien die Schlüssel nicht vollzählig gewesen, Fahrzeugbrief, Wartungsheft und Bordhandbuch hätten gänzlich gefehlt.
Entscheidungsgründe
Das OLG schließt sich der Bewertung des Klägers an und verurteilt die Beklagte zur Herausgabe des Fahrzeugs. Nach Auffassung des OLG war die Beklagte beim Erwerb des Fahrzeugs keinesfalls gutgläubig, weil ihre Auffassung, der Verkäufer sei auch der Eigentümer, auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Vielmehr habe es handfeste Indizien gegeben, die Zweifel an der Eigentümerstellung begründeten, die aber die Beklagte ignoriert habe.
Dass der Verkäufer den Kfz-Brief habe vorlegen können, reiche allein für die Annahme eines gutgläubigen Erwerbs nicht aus. Dabei handele es sich allenfalls um eine Mindestvoraussetzung für den gutgläubigen Erwerb, gewährleiste ihn aber nicht (BGH VRR 2007, 24). Vielmehr habe sich die Beklagte über zahlreiche Anhaltspunkte, die zu Zweifeln Anlass gegeben haben, hinweggesetzt und nichts unternommen, um sich über die Identität des Verkäufers zu vergewissern. So habe der Verkäufer nur unvollständige Papiere vorgelegt. Neben dem Kfz-Brief hätten auch Zulassungsbescheinigung, Bordbuch und Wartungsheft übergeben werden müssen. Die Schlüssel waren unvollständig. Es wurde nur ein Satz Schlüssel übergeben, statt - wie üblich - zwei Sätze. Zudem ließ sich der Tresor mit dem übergebenen Safeschlüssel nicht öffnen. Weiterhin hätte der Beklagten aber auch der Besichtigungs- und später Übergabeort zu denken geben müssen. Ein vom Wohnort des Verkäufers entfernter Parkplatz muss Zweifel begründen, zumal der Verkäufer betont habe, dass er als Polizist alsbald zur Arbeit müsse. Hinzu komme, dass der schriftliche Kaufvertrag in den handschriftlich zu ergänzenden Punkten mit erheblichen Rechtschreibfehlern behaftet sei. Statt "Fahrradträger" wurde "FAhRADTREGER" geschrieben, die Zahl vierundzwanzig wurde "Fierundzwanzieg" geschrieben, was bei der Berufsangabe eines Polizisten eher unwahrscheinlich erscheint. Auch der gewählte Zahlungsmodus der Barzahlung bei dem relativ hohen Kaufpreis von 24.500 EUR hätte zu Zweifeln Anlass gegeben.
Derartige erhebliche Zweifel, die sich jedem vernünftigen Kaufinteressenten hätten aufdrängen müssen, habe die Beklagte zur Erlangung eines besonders günstigen Geschäfts verdrängt und objektiv vorhandene Warnhinweise grob fahrlässig übergangen und sei keinesfalls gutgläubig gewesen.
Fundstellen
Haufe-Index 4469412 |
VRR 2011, 149 |