Leitsatz (amtlich)

Keine Beweiserleichterung bei der Kausalitätsfrage, wenn ein 73-jähriger Patient mit sonstigen Risikofaktoren einen Herzinfarkt erleidet, den er auf ein später vom Markt genommenes Medikament mit unklarem, aber vermuteten Gefährdungspotential zurückführt (VIOXX).

 

Normenkette

AMG §§ 84, 5; BGB §§ 823, 249; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 06.08.2008; Aktenzeichen 10 O 134/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.03.2010; Aktenzeichen VI ZR 64/09)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Koblenz vom 6.8.2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelhaftung Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden.

Die Beklagte vertrieb das seit dem Jahr 1999 in Deutschland zugelassene Medikament VIOXX. Im September 2004 nahm sie das Präparat freiwillig vom Markt. Eine von der Muttergesellschaft in Auftrag gegebene Studie hatte ergeben, dass nach kontinuierlicher täglicher Einnahme des Medikaments über mehr als 18 Monate für Patienten ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko bestand.

Der Kläger leidet seit dem Jahr 1993 an Schmerzen, die mit verschiedenen entzündungshemmenden Schmerzmitteln, u.a. Voltaren, Ibuprofen und VIOXX behandelt wurden.

Das Medikament VIOXX erhielt er erstmals im Februar des Jahres 2001 verschrieben. In der Gebrauchsinformation war noch im Juni 2002 (K 10) zu den Nebenwirkungen unter dem Stichwort Herz vermerkt: "Einzelfälle: Herzinfarkt (ursächlicher Zusammenhang nicht nachgewiesen)".

Am 13.1.2002 erlitt der damals 73 Jahre alte Kläger einen Herzinfarkt. Aus der stationären Behandlung wurde er unter Verordnung von VIOXX entlassen.

Im Mai 2004 folgte wegen einer instabilen angina pectoris, die seitens der behandelnden Ärzte auf eine wiederholt auftretende Blutdruckentgleisung zurückgeführt wurde, eine erneute Aufnahme in die Kardiologie.

Der Kläger hat vorgetragen, der Herzinfarkt sei auf das Medikament VIOXX zurückzuführen. Seit der Erstverordnung am 8.2.2001 habe er regelmäßig die normale Tagesdosis von mindestens 25 mg eingenommen. Die Gebrauchsinformation der Beklagten sei mangelhaft gewesen. Zudem hätte die Beklagte aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse das Medikament bereits im Jahr 2000 vom Markt nehmen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes, in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, das jedoch für den Fall der Säumnis mit 60.000 EUR beziffert wird, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2006 zu zahlen,

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und etwaige zukünftige immaterielle Schäden, die aufgrund des Herzinfarktes vom 13.1.2002 entstanden sind, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergehen werden,

III. die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, die außergerichtlich nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 811,88 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.4.2007 zu zahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Einnahme von VIOXX und dem Herzinfarkt. Weder sei das Produkt fehlerhaft noch seien ihr Pflichtverletzungen vorzuwerfen.

Das LG hat die Klage nach Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. vom 17.12.2007 (201-208 GA) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe den erforderlichen Nachweis, dass der Herzinfarkt durch die Einnahme des Medikaments verursacht worden sei, nicht geführt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er ist der Auffassung, er sei nicht beweisbelastet, weil die Beklagte ihre Produktsicherungspflichten verletzt habe und zudem feststehe, dass die Einnahme von VIOXX das Risiko, einen Herzinfarkt zu entwickeln, erhöht habe.

Der Kläger wiederholt die in erster Instanz gestellten Anträge.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die Schriftsätze zweiter Instanz vom 7.10.2008 und vom 20.11.2008 nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Hierauf wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger einen Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme von VIOXX und dem von ihm erlittenen Herzinfarkt nicht bewiesen hat.

1. Na...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge