Leitsatz (amtlich)
Die Ersatzpflicht des für einen Körper- oder Gesundheitsschaden einstandspflichtigen Schädigers erstreckt sich auch auf psychisch bedingte Folgewirkungen des von ihm herbeigeführten haftungsbegründenden Ereignisses. Dies gilt auch für eine psychische Fehlverarbeitung, vorausgesetzt es besteht eine hinreichende Gewissheit dafür, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre. Das ist nicht der Fall, wenn mit gleicher oder größerer Wahrscheinlichkeit unfallunabhängige Ursachen für das Beschwerdebild verantwortlich sind.
Sachverständigengutachten aus anderen gerichtlichen Verfahren können nach § 411a ZPO i.d.F. des 1. JuMoG verwertet werden. Dafür besteht keine Übergangsregelung, so dass die Bestimmung ab ihrem Inkrafttreten anwendbar ist. Prozessrechtsnormen unterliegen keiner Anwendungssperre für Verfahren, die vor Inkrafttreten des Gesetzes begonnen wurden, aber bei Inkrafttreten noch nicht beendet sind.
Verfahrensgang
LG Trier (Entscheidung vom 08.02.2002; Aktenzeichen 4 O 298/98) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 8. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie des Revisionsverfahrens VI ZR 230/03 des Bundesgerichtshofs zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bliebt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der beizutreibenden Forderung abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche der am ... September 1957 geborenen Klägerin aufgrund eines Unfallereignisses, das sich am 31. Oktober 1991 gegen 06.10 Uhr auf der Landstrasse zwischen D... und S... im Landkreis B... ereignet hat. Die Klägerin fuhr mit ihrem Pkw Audi 80 zur Arbeit als Krankenschwester und musste wegen eines Wildwechsels anhalten. Dabei fuhr ihr der Erstbeklagte mit dem bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versicherten Lkw auf; die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Frage. Die Klägerin erlitt eine Distorsion der Halswirbelsäule. Nur die Frage, ob weitere physische und psychische Beeinträchtigungen durch den Unfall eingetreten sind, ist streitig.
Der Unfall wurde nicht polizeilich aufgenommen. Die Klägerin fuhr vom Unfallort zunächst noch zur Arbeit, begab sich dann aber in ärztliche Behandlung. Sie trug vom Unfalltag an bis zum 25. November 1991 eine "Schanzsche Krawatte". Sie war bis zum 8. Dezember 1991 krankgeschrieben. Die Zweitbeklagte zahlte vorgerichtlich an sie ein Schmerzensgeld von 2.800 DM. Mit der Klage macht die Klägerin Verdienstausfall ab Juni 1992 und ein weiteres Schmerzensgeld geltend.
Die Klägerin hat behauptet, durch den Unfall sei als Dauerschaden ein Tinnitus ausgelöst worden, es seien Schwindelanfälle zu verzeichnen, ferner leide sie unter Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit und allgemeiner Unsicherheit. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 46.826,09 DM (23.941,80 Euro) nebst Zinsen wegen ihres Verdienstausfalls und ein weiteres Schmerzensgeld (mindestens 4.200 DM) nebst Zinsen zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr allen weiteren Schaden aus dem Unfallereignis vom 31. Oktober 1991 zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und die Ursächlichkeit des Unfalls für die behaupteten Beeinträchtigungen der Klägerin bestritten. Sie haben angenommen, die Fahrzeugkollision sei schon aus technischen Gründen nicht geeignet gewesen, die Beschwerden der Klägerin auszulösen. Diese Beschwerden seien vielmehr auf degenerative körperliche Beeinträchtigungen der Klägerin zurückzuführen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. med. M... und Dipl. Ing. S.... Auf dieser Grundlage hat es der Klage durch Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer nur insoweit stattgegeben, als es der Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld von 1.200 DM (613,55 Euro) nebst Zinsen zugebilligt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, es sei nicht festzustellen, dass die Beschwerden der Klägerin, wie Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindelsymptome, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit und eine allgemeine Unsicherheit die Folge des streitgegenständlichen Unfalls seien. Die Beschwerden seien als Folge eines Unfallgeschehens, das mit einer Halswirbelsäulen-Distorsion einhergegangen sei, nicht typisch. Auch andere Ursachen kämen in Betracht. Dass die von der Klägerin beigebrachten Atteste der behandelnden Ärzte den Unfall als Ursache bezeichneten, besage nichts über den wahren Ursachenzusammenhang, weil behandelnde Ärzte insoweit in der Regel unkritisch die Angaben des Patienten übernähmen und dieser...