Leitsatz (amtlich)
1. Zur Pflichtverletzung eines Rechtsanwalts wegen Nichterhebung der Einrede des beschränkten Erbenhaftung und zur Darlegungs- und Beweislast des Mandanten im Regressprozess für die haftungsausfüllende Kausalität einer entsprechenden anwaltlichen Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden.
2. Urkundenbeweis ist durch Vorlage der Urkunde anzutreten. Über die bloße Vorlage hinausgehende Anforderungen sind aber dann zu stellen, wenn der Beweis mit Urkundensammlungen oder umfangreichen Urkunden geführt werden soll. Hier obliegt es dem Beweisführer, die einzelne Urkunde oder die beweisenden Urkundenstellen etwa mit Blatt- und Seitenzahl schriftsätzlich konkret zu bezeichnen. Farbliche Markierungen relevanter Buchungen genügen nicht, wenn damit eine Zuordnung zu den einzelnen nachzuweisenden Positionen nicht ohne Weiteres möglich ist. Es ist dann für ein ordnungsgemäßes Beweisangebot erforderlich, z.B. jede relevante Buchung mit einer Zahl zu versehen und diese Zahl schriftsätzlich der jeweiligen Art der behaupteten Position zuzuordnen. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts zu versuchen, diese Zuordnung mühsam mittels Durchschau der farblich markierten Buchungsdaten jedes Kontoauszugs selbst vorzunehmen.
3. Legt ein Beweisführer als Beweismittel benannte Urkunden entgegen § 420 ZPO nicht vor, kann ein gerichtlicher Hinweis veranlasst sein. Werden Kontoauszüge indes nicht nur lediglich nicht vorgelegt, sondern schon nicht, z.B. durch die Angabe von dazugehörigen Kontonummern, spezifiziert, dürfte ein entsprechender gerichtlicher Hinweis jedoch mangels Vorliegens eines beachtlichen Beweises ausscheiden. Jedenfalls aber erfordern weder § 139 ZPO noch der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dann einen gerichtlichen Hinweis, wenn der Partei dasjenige, worauf ggfls. hinzuweisen wäre, präsent bewusst ist (Abgrenzung zu: BGH NJW 1986, 428 und BVerfG NJW 1985, 3006).
4. Es entspricht nicht einer ausreichend ordnungsgemäßen Prozessförderung, vor der Beschaffung weiterer Beweisunterlagen zu weiteren Beweispositionen zunächst die Auseinandersetzung mit einem zu einer anderen Beweisposition eingeholten Sachverständigen abzuwarten, wenn unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen ermittelten Werte eindeutig ist, dass es des Nachweises der weiteren Beweispositionen bedarf. Dies gilt jedenfalls dann, wenn allein die Angriffe gegen das Sachverständigengutachten selbst im Falle ihres Erfolgs den Nachweis der anderen Beweispositionen nicht entfallen lassen würden.
Normenkette
BGB §§ 249, 280 Abs. 1, §§ 675, 1973-1975, 1989-1990; ZPO §§ 139, 287, 296, 296a, 420, 767, 780-781, 785
Tenor
1.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 09.03.2016, Az. 15 O 129/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil sowie im Umfang dessen Anfechtung das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 09.03.2016, Az. 15 O 129/15, sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 170.003,29 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist die verwitwete Ehefrau und Erbin des am 08.11.2008 verstorbenen C.S. Sie nimmt den Beklagten auf Schadenersatz wegen behaupteter Schlechterfüllung eines Anwaltsmandats in Anspruch.
Im Zuge des Erbfalls war die Klägerin in dem Verfahren 3 F 82/13, Amtsgericht B., und 2 UF 223/14, Oberlandesgericht K., von der früheren Ehefrau des Erblassers auf Zahlung in Anspruch genommen worden. Dieser Prozess endete mit am 04.12.2014 auf die mündliche Verhandlung vom gleichen Tage verkündeter Verpflichtung der hiesigen Klägerin in ihrer Eigenschaft als Erbin des C.S., an dessen frühere Ehefrau einen Betrag von 190.875,08 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte hatte in diesem Gerichtsverfahren unstreitig den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nicht erhoben. Hieraus leitet die Klägerin den eingeforderten Schaden in - nach aktueller Bezifferung - Höhe von 141.186,88 EUR (190.875,08 EUR abzüglich eines Betrags von 49.688,20 EUR als Nachlassquote) her.
Im vorliegenden Rechtsstreit ist der Wert des Nachlasses streitig. Die Klägerin hat vor dem Landgericht im Wesentlichen geltend gemacht, dass dieser überschuldet gewesen sei. Da der Beklagte dies nicht ermittelt und ihr nicht die Ausschlagung angeraten habe sowie aufgrund anschließender Nichterhebung der Einrede der beschränkten Erbenhaftung in dem vorstehend erwähnten Gerichtsverfahren sei ihr infolge drohender Inanspruchnahme mit ihrem Eigenvermögen ein entsprechender Schaden entstanden. Diesen habe der Beklagte zu tragen.
Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, sie von der Forderung der Gläubigerin E.S., ..., aus dem...