Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Grundurteil, das dem Arzt die Verantwortlichkeit nach Zeitabschnitten zuweist. keine Beweiserleichterung bei Arztbrief, der den Krankenunterlagen widerspricht
Leitsatz (amtlich)
1.
Bei einem mehrmonatigen komplexen Behandlungsgeschehen darf die Haftung eines der beteiligten Ärzte nicht ausschließlich in Anknüpfung an Zeitabschnitte dem Grunde nach ausgesprochen werden. Vielmehr muss deutlich werden, welche Einzelposten der Gesamtforderungen diesen Abschnitten zuzuordnen sind, weil nur dann gesichert feststeht, in welchem Umfang die Leistungsansprüche von dem Grundurteil erfasst und damit noch anhängig sind.
2.
Auch ein paralleler Feststellungsausspruch hat in einem derartigen Fall keinen Bestand, wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht.
3.
Liegen widersprüchliche Indizien darüber vor, ob ein dokumentationspflichtiger Sachverhalt gegeben war, führt das nicht ohne weiteres zu einer Beweiserleichterung für den Patienten (hier: diktierter Arztbrief wird von einem anderen, nicht mit der Behandlung des Patienten befassten Arzt unterschrieben).
Normenkette
ZPO § 253; BGB § 276
Verfahrensgang
LG Trier (Entscheidung vom 30.07.2008; Aktenzeichen 4 O 323/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und zu 12) wird das Teilgrund- und Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 30. Juli 2008 aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Beklagten zu 1) und zu 12) ergangen ist, und die Sache insoweit - auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - an das Landgericht Trier zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger wurde wegen eines Leistenhernienrezidivs am 9. Dezember 1997 in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses des Beklagten zu 1) aufgenommen. Dort führten die Beklagten zu 4) und zu 7) am Folgetag einen endoskopischen Eingriff durch, bei dem ein Prolenenetz über die Bruchstelle gezogen wurde.
Am 15. Dezember 1997 verlegte man den Kläger in die Orthopädie, wo tags darauf durch die Beklagten zu 9) und zu 10) eine Operation der rechten Fußzehen erfolgte, die sich in einer Überstreckstellung befanden. Der Kläger war schon zuvor mehrfach in ähnlicher Weise operiert worden.
Nachdem er am 23. Dezember 1997 aus der stationären Behandlung entlassen worden war, suchte der Kläger wiederholt die Poliklinik des Krankenhauses auf, weil es zu Problemen kam. Dabei standen Schmerzen in der Leistengegend im Vordergrund, über die der chirurgischen Ambulanz erstmals am 29. Dezember 1997 berichtet wurde. Nach der Darstellung des Klägers zeigten sich zudem bei Besuchsterminen vom 14. und 22. Januar 1998 Rötungen. Die Untersuchungen, die im Wesentlichen klinischer und sonographischer Natur waren, gelangten zu keinem deutlichen Befund. Am 2. Februar 1998 stellte man eine Schwellung fest. Als der Kläger dann am 3. Februar 1998 den Beklagten zu 12) konsultierte, war beim Ultraschall im Unterbauch eine abszessverdächtige Raumforderung zu erkennen.
Daraufhin wurde der Kläger am 5. Februar 1998 stationär aufgenommen und noch am selben Tag unter Abtragung nekrotischer Gewebeteile operiert. Man legte eine Drainage. Es kam dann in kurzer Folge zu weiteren Nekrosektomien, an denen die Beklagten zu 2), zu 5), zu 7), zu 11), zu 12), zu 14, zu 15) und zu 16) mitwirkten. Als sich am 20. Februar 1998 bei einem Verbandswechsel Stuhl im Wundbereich fand, veranlasste das die Beklagten zu 6) und zu 7) zu einer Laparatomie, die eine Sigmafistel offenbarte. Man trug die Fistel ab und entfernte das am 10. Dezember 1997 eingebrachte Prolenennetz, das infiziert war.
Der Infektionsprozess hielt trotz wiederkehrender Wundversorgungen, an denen sich die Beklagten zu 3), zu 5), zu 6), zu 8) und zu 14) beteiligten, an. Am 29. April 1998 laparatomierten die Beklagten zu 8) und zu 11). Sie diagnostizierten eine Dünndarmfistel und eine Peritonitis.
Der Kläger verblieb bis zum 29. Mai 1998 im Krankenhaus des Beklagten zu 1). Danach wurde er im Hinblick auf die Leistenproblematik langfristig ambulant weiter behandelt. Am 13. Februar 2001 unterzog er sich erneut einer Hernienoperation.
Im vorliegenden, im Jahr 2001 eingeleiteten Rechtsstreit hat er den Beklagten zu 1) als Krankenhausträger und die Beklagten zu 2) bis 17) als die ihn dort versorgenden Ärzte gesamtschuldnerisch auf Zahlung eines mit wenigstens 150.000 DM bezifferten Schmerzensgelds und einer materiellen Ersatzleistung von 69.735 DM sowie auf Feststellung einer weitergehenden Haftung in Anspruch genommen. Er hat den Vorwurf erhoben, dass er chirurgisch und orthopädisch fehlerhaft behandelt worden sei, und sieht sich dadurch dauerhaft in seiner Befindlichkeit und Mobilität beeinträchtigt. Ein Diabetes mellitus, unter dem er leidet, habe sich verschlimmert.
Er hat vorgetragen, bereits die Leistenbruchoperation vom 10. Dezember 1997 sei schlecht durchgeführt worden; dabei habe man den Dickdarm verletzt. Man habe nicht endoskopisch unter Verwendung eines Netzes vorgehen ...