Leitsatz (amtlich)
1. Zur Durchsetzung und zum Umfang eines Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen zur Beseitigung der durch einen Felsabbruch hervorgerufenen Gefahren, die auf einen im 2. Weltkrieg angelegten Luftschutzstollen zurückzuführen sind.
2. Der Anspruch ist auch dann noch rechtzeitig nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz angemeldet, wenn seit der endgültigen Besitzaufgabe des ansonsten ungenutzt gebliebenen Luftschutzstollens durch die Bun-desrepublik Deutschland nicht mehr als ein Jahr vergangen ist.
Normenkette
AKG § § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 S. 1, § 28 S. 2 Nr. 1; BGB §§ 677, 679, 683 S. 1, § 1004 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 10.12.2009; Aktenzeichen 1 O 278/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 10.12.2009 (Az. 1 O 278/09) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 215.186,41 EUR sowie Zinsen i.H.v. 72.115,79 EUR für den Zeitraum vom 14.10.2008 bis zum 31.7.2012 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/20 und das beklagte Land 19/20 zu tragen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor eine Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages erbracht hat.
Gründe
I. Die Klägerin, Eigentümerin eines gewerblichen Grundstückes in der ... straße ... in P. begehrt von dem beklagten Land die Erstattung von ihr entstandenen Kosten nach einem Felsrutsch nach den Kriegsfolgenentschädigungsgesetz.
Das Lagergebäude der Klägerin wurde 1954 in unmittelbarer Nähe einer Felswand gebaut, hinter der sich eine ehemalige Stollenanlage, die während des 2. Weltkrieges zu Luftschutzzwecken genutzt wurde, befindet. Einer der ursprünglichen Eingänge war verschlossen. Darüber hinaus wurde der in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts vor dem auf dem Grundstück befindlichen Eingang zum ehemaligen Luftschutzraum eine Mauer errichtet, um ein Betreten des Stollens vom Hof der Klägerin aus unmöglich zu machen. Seit Ende des Jahres 1982 fanden zwischen den Parteien Verhandlungen darüber statt, ob, nachdem das Eigentum an der Stollenanlage bereits auf die Klägerin übergegangen war, nunmehr auch eine Besitzübergabe auf die Klägerin erfolgen sollte. Das beklagte Land bot mit Schreiben vom 21.12.1982 (Bl. 266GA) der Rechtsvorgängerin der Klägerin an, dass sie den Besitz (tatsächliche Gewalt) an der Luftschutzanlage mit allen damit verbundenen Rechten an die Grundstückseigentümerin überträgt. Gegenstand des Vertrages sollte eine Feststellung sein, dass der Bund vorhandene akute Gefahrenzustände i.S.d. § 19 Abs. 2 Ziff. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) beseitigt habe. Allerdings sollte die Verpflichtung des Bundes zur Beseitigung von eventuell neu auftretenden Gefahrenstellen i.S.d. § 19 Abs. 2 HKG nicht berührt sein. Die Eigentümerin des Grundstückes war jedoch nicht bereit, diese Vereinbarung zu unterzeichnen. Daraufhin erklärte das beklagte Land ihr gegenüber mit Schreiben vom 26.4.1993 (Bl. 244 GA) durch das Bundesvermögensamt in Landau/Pfalz einseitig die Besitzaufgabe. Die Prozessbevollmächtigten der Eigentümerin erklärten daraufhin mit Schriftsatz vom 3.6.1983 (Bl. 226 GA), dass sie nicht in der Lage seien, zu überprüfen, ob der Bund die akuten Gefahrenzustände tatsächlich beseitigt habe. Sie vermöge daher nicht auf die ihr zustehenden Ansprüche aus § 19 Abs. 2 S. 1 AKG zu verzichten. Mit Schreiben vom 15.6.1993 (Bl. 228 Ga) erklärte das Bundesvermögensamt Landau, dass sie der Ansicht ist, dass die Verschließung der Anlage als Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit als ausreichend erachte. Nach der ihr vorliegenden Gutachten sei die Anlage als standsicher zu beurteilen; jedoch könnten Nachbrüche des Gebirges nicht ausgeschlossen werden. Sie stellte aber auch klar, dass trotz der Besitzaufgabe die Verpflichtung des Bundes zur Beseitigung von eventuell künftig auftretenden Gefahrenstellen i.S.d. § 19 Abs. 2 AKG nicht berührt werde.
Ende November des Jahres 2006 stellte die Klägerin fest, dass an der Innenseite der Lagerwand des Lagergebäudes ein senkrechter Riss im Putz entstanden, ein Gussentwässerungsrohr ca. 4 cm aus der Wand herausgebrochen war und zudem Durchfeuchtungen im Putz dieser Wand existierten. Auslöser hierfür waren Felsmassen, die sich oberhalb des Zugangs der Stollenanlage gelöst hatten. Aufgrund dieses Felsabbruchs ließ die Klägerin umfangreiche und kostenintensive Sicherungs- und Abtragungsmaßnahmen durchführen. Sie wurde hierbei fachtechnisch durch das Landesamt für Geologie und Bergbau im Mainz begleitet, deren Gutachter während der Sanierungsmaßnahmen vor Ort waren und teilweise auch behördliche Anordnungen trafen.
Den Antrag der Klägerin auf Erstattung der von ihr verauslagten Kosten i.H...