Leitsatz (amtlich)
Erfolgt die Verlegung aus einer Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie in eine Klinik für Innere Medizin und erfährt die orthopädische Klinik anschließend von einem Staphylokokkenbefall der Spitze eines vor der Verlegung entfernten Periduralkatheters ist für die Klärung der Frage, ob neben der Übersendung des Befunds weitere Vorgaben durch den orthopädischen Behandler für das weitere Behandlungsregime vorzunehmen waren, ein orthopädisch-chirurgischer Sachverständiger hinzuzuziehen.
Die zur Unterlassung einer Kontrolle des CRP-Werts vorgenommene Äußerung eines medizinischen Sachverständigen, er tue sich "eigentlich schon etwas schwer, im Unterlassen des Bestimmens des CRP-Wertes (...) überhaupt einen Behandlungsfehler zu entdecken", muss kritisch hinterfragt werden, wenn er zugleich die Erhebung des CRP-Wertes zeitnah zum Entlassungstag als "eher so etwas wie medizinische Routine" einordnet, zuvor eine mit "reichlich Staphylokokken" befallene Katheterspitze festgestellt wurde und der Sachverständige die Entwicklung eines Abszesses nach infizierter Katheterspitze im zeitlichen Verlauf als variabel darstellt.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 08.06.2016; Aktenzeichen 10 O 109/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 8.6.2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt immateriellen und materiellen Schadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang mit einer Abszessbildung im Lendenwirbelsäulenbereich.
Am 7.5.2007 wurde die Klägerin in der unfallchirurgischen Abteilung des... Krankenhauses N. stationär aufgenommen. Die radiologische Befunderhebung ergab einen lateralen Bandscheibenvorfall rechts auf Höhe L2/L3, einen mediolateral und lateral rechts betonten, partiell knöchern überbauten Bandscheibenvorfall L4/L5, eine auf Höhe L3/L4 sowie L5/S1 vorhandene Bandscheibenprotrusion, eine auf Höhe L4/L5 vorhandene Osteochondrose mit reaktiver Spondylose und eine Facettengelenkarthropathie L4/L5. Sie erhielt diverse Schmerzmittel mit dem Ziel einer konservativen Therapie.
Am 14.5.2007 erfolgte die Verlegung der Klägerin in die vom Beklagten zu 1) geleitete orthopädische Abteilung des... Krankenhauses in B. Im Verlauf der dortigen Behandlung wurde am 16.5.2007 ein Periduralkatheter im Bereich der Lendenwirbelsäule gesetzt. In der Folgezeit kam es zu einer Verfärbung von Urin und Stuhlgang sowie einer Erhöhung des CRP-Wertes, wobei am 22.5.2007 ein Wert von 152,6 mg/l erreicht wurde. Am 23.5.2007 wurde der Katheter entfernt und die mikrobiologische Untersuchung der Katheterspitze angeordnet. Zugleich leitete der behandelnde Arzt eine Antibiose (1,5g Cefuroxim i. v.) ein. Aufgrund des anknüpfend an die Veränderungen der Ausscheidungen und der Entwicklung der Laborwerte gestellten Verdachtsdiagnose einer Cholezystolithiasis erfolgte am 24.5.2007 die Verlegung in die Innere Klinik I im... Krankenhaus N., die vom Beklagten zu 2) als Chefarzt geleitet wird. Am Verlegungstag betrug der CRP-Wert 75,6 mg/l und am Folgetag 61,2 mg/l. Am 25.5.2007 ging in der Abteilung des Beklagten zu 1) im... Krankenhaus in B. der Bericht der mikrobiologischen Untersuchung der Katheterspitze ein, die "reichlich Staphylococcus aureus" auswies. Der Bericht wurde per Telefax an die Innere Klinik des Beklagten zu 2) übersandt. Auf Anordnung des dort behandelnden Arztes erfolgte am selben Tag eine abdomenbezogene computertomographische Untersuchung mit dem Ziel der Abklärung der zu diesem Zeitpunkt gesehenen internistischen Problematik. Zudem erfolgte an diesem Tag eine Umstellung der Antibiose (bis zu diesem Zeitpunkt mit Zinacef) auf Cotrim forte und Tavanic bei oraler Einnahme. Am 28.5.2007 betrug der CRP-Wert 13,6 mg/l. Daraufhin wurde die orale Antibiose am 31.5.2007 eingestellt. Am 4.6.2007 wurde die Klägerin aus der Abteilung des Beklagten zu 2) entlassen, wobei ihr ein als "vorläufige Mitteilung bei Entlassung" bezeichnetes Schreiben an ihren Hausarzt mitgegeben wurde (Anlage K2; Bl. 18 GA).
Der Hausarzt der Klägerin veranlasste im Zuge der weiteren Behandlung eine Kernspintomographie zur Untersuchung der Lendenwirbelsäule am 21.6.2007. Diese ergab einen ausgedehnten intraspinalen epiduralen Abszess links dorsolateral mit Punctum maximum auf Höhe LWK2. Die Befundlänge betrug 11 cm. Daraufhin erfolgte am 22.6.2007 im Brüderkrankenhaus in Koblenz eine notfallmäßige Abszessexstirpation.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach gerichtlichem Ermessen in einer Mindesthöhe von 50.000 EUR, Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 7.269 EUR, Ersatz von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung sowie von Haushaltsführungsschaden ...