Leitsatz (amtlich)

Bei Implantation einer Hüftgelenksendoprothese können unwesentliche Abweichungen vom Idealzustand nicht mit einem Behandlungsfehler gleichgesetzt werden.

Bei vollständiger Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien gebietet die Unaufklärbarkeit der Ursache für bestimmte körperliche Beschwerden grundsätzlich keine weitere gutachterliche Aufarbeitung des Behandlungsgeschehens.

Bei Verwendung einer teilzementierten Hüftgelenksendoprothese fehlt es an einem Aufklärungsdefizit, wenn dem Patienten zwar zu einer zementfreien Verankerung geraten wurde, aber im Aufklärungsgespräch nicht ausgeschlossen werden konnte, dass ggf. während der Operation hiervon abgewichen werden müsse.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 18.06.2014; Aktenzeichen 10 O 158/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 18.6.2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des LG Koblenz vom 18.6.2014 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden im Zusammenhang mit der operativen Implantation einer Hüfttotalendoprothese.

Die 1953 geborene Klägerin befand sich in der Zeit vom 9.3. bis 22.3.2010 im Klinikum der Beklagten zu 1). Nachdem der Beklagte zu 2) bereits vor dem stationären Aufenthalt ein Gespräch mit der Klägerin hinsichtlich der geplanten endoprothetischen Hüft- gelenksoperation aufgrund der festgestellten Coxarthrose geführt hatte, erfolgte am 9.3.2010 ein weiteres Aufklärungsgespräch. Am 10.3.2010 führte der Beklagte zu 2) die Operation aus.

Im weiteren Verlauf zeigte sich bei der Klägerin eine erhebliche Schmerzsymptomatik. Zudem besteht eine Beinlängendifferenz von 1,5 cm.

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, die anästhesiologische Behandlung im Zusammenhang mit der Hüftoperation sei standardwidrig erfolgt. Zudem sei der Einsatz der Hüftgelenksprothese nicht an der richtigen Stelle, nicht im richtigen Winkel und zudem durch teilweisen Einsatz eines zementierten Implantats erfolgt. Das Einzementieren sei offenkundig aufgrund des falschen Ausfräsens des Beckenknochens erforderlich geworden. Die Hüften stünden nach der Operation ungleich. Auch die Längendifferenz der Beine sei auf Fehler beim Einsatz des Implantats zurückzuführen. Über das Risiko einer - unstreitig erfolgten - Zuführung von Blutkonserven aufgrund des Verlusts von Blut sei sie voroperativ nicht aufgeklärt worden. Zudem sei ihr nicht die Möglichkeit einer Eigenblutspende aufgezeigt worden. Aufklärungsmängel seien zudem hinsichtlich der Verwendung einer zementfreien Operationsmethode sowie der Beinlängenveränderung gegeben. Die Operation habe zu ständigen erheblichen und belastungsabhängigen Schmerzen geführt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich ein in das gerichtliche Ermessen gestelltes Schmerzensgeld in einer Mindesthöhe von 15.000,00 EUR sowie die Einstandspflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden begehrt.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich Anträge der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung vom 18.6.2014 (Bl. 298 ff. GA) verwiesen.

Das sachverständig beratene LG hat die Klage abgewiesen, da weder ein Behandlungsfehler noch eine unzureichende Aufklärung festzustellen seien. Zwar sei die Positionierung des Implantats durch die zugezogenen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. R. und Dr. K. als "suboptimal" bezeichnet worden, doch sei dies nicht als Behandlungsfehler anzusehen. Der Sachverständige Dr. K. habe in seiner mündlichen Anhörung verdeutlicht, dass die Positionierung des Implantats nicht optimal erfolgt sei, dies aber allen Chirurgen passieren könne. Die Abweichung des Drehzentrums von dem durch ein Dreieck markierten Zielkorridor sei geringfügig und nicht als behandlungsfehlerhaft anzusehen. Die Beinlängenveränderung beruhe ebenfalls nicht auf einem Behandlungsfehler, da es sich hierbei um eine häufige Komplikation handele, die auf die Zielsetzung der Herbeiführung einer stabilen Gelenkführung zurückzuführen sei. Die Konzentration auf Letzteres könne zu Beinlängenveränderungen führen. Muskuläre Insuffizienzen, die auf die Hüftoperation zurückzuführen seien, könnten nicht festgestellt werden. Aus der postoperativen Schmerzsymptomatik könne nicht auf ein fehlerhaftes Vorgehen geschlossen werden, da entsprechende Schmerzzustände auch ohne einen Behandlungsfehler entstehen könnten. Der Einsatz einer teilweise zementierten Prothese sei ebenfalls kein Behandlungsfehler, da dies eine standardgerechte Behandlungsmethode darstelle und zudem erst intraoperativ entschieden werden könne, ob das Implantat zementfrei eingesetzt werden kann. Die Darlegungen des Beklagten zu 2), nach denen bei zementfreiem Einsatz intraoperativ kein fester Sitz habe erreicht werden können,...

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