Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftung der Gemeinde für Hochwasser-, Überflutungsschäden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fehlerhafte Maßnahmen beim Gewässerausbau beurteilen sich öffentlich-rechtlich und können Amtshaftungsansprüche oder Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff auslösen.

Neben dem Amtshaftungsanspruch besteht eine bürgerlich-rechtliche Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB bei Maßnahmen des Gewässerausbaus nicht.

2. Im Wasserrecht gilt, dass jede nicht genehmigte Maßnahme zugleich formell und materiell illegal ist (Prinzip den Identität von formeller und materieller Illegalität).

3. Im Enteignungsrecht ist eine Gemeinde, die den Eingriff nicht selbst vorgenommen hat, nur dann begünstigt und damit Verpflichtete, wenn ihr eine „Aufgabe abgenommen worden oder ihr ein sonstiger Vorteil zugeflossen ist.

4. Findet ein gesetzlich angeordneter Aufgabenübergang (Gewässerunterhaltung, -ausbau) statt, haftet die ursprünglich zuständige und verantwortliche Körperschaft nicht für durch sie geschaffene Gefahrenlagen, die sich erst später – Jahre nach Aufgabenübergang – verwirklicht und zum Schaden geführt haben.

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 6 O 205/94)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.03.2002; Aktenzeichen V ZR 107/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 9. Oktober 1997 verkündete Grund- und Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier teilweise abgeändert und die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werdenden Klägern auferlegt, soweit nicht bereits hierüber durch das Landgericht entschieden ist.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 26.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Kläger und die Beklagte zu 1) können die Sicherheiten auch durch schriftliche, selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaften einer Bank oder Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbringen.

 

Tatbestand

Die Kläger beanspruchen – nunmehr nur noch von der beklagten Ortsgemeinde – Schadensersatz in Höhe von 337.342,99 DM nebst Zinsen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für Überschwemmungsschäden und Freistellung von Regressansprüchen Dritter.

Die Kläger zu 1) und zu 2) sind zu je 1/2 Miteigentümer der Hausgrundstücke Flur 8, Parzellen 53/2 und 53/4 in D. …. Das an das Wohnhaus angrenzende Bürogebäude haben sie an die Klägerinnen zu 3) und zu 4) verpachtet. Zwischen diesen Parzellen befindet sich die nur wenige Meter breite Parzelle 53/3, die im Eigentum der Beklagten zu 1) steht. Das von der G. … straße aus gesehene hintere Ende dieser Parzelle haben die Kläger zu 1) und zu 2) bündig mit einer Bruchsteinmauer verschlossen. Vorne an der G. straße schließt ein Garagentor die Lücke zwischen den im Eigentum der Kläger zu 1) und zu 2) stehenden Parzellen. In der von diesen angepachteten Parzelle 53/3 verläuft der in diesem Bereich verrohrte D. Bach. Die verrohrte Strecke beträgt ca. 60 m.

Am 6. Juli 1991 trat der D. Bach beidseitig über die Ufer und überflutete die G.straße sowie das Wohnhaus und das Bürogebäude. Es entstand erheblicher Sachschaden, den die Kläger im selbständigen Beweisverfahren durch den Sachverständigen Helmut R. ermitteln und schätzen ließen (LG Trier Az.: 6 H 6/91). Wegen Ölverschmutzungen ließ die Feuerwehr Wasser absaugen und verschmutzte Materialien beseitigen. Gegen die Heranziehung zum Kostenersatz in Höhe von 81.552,15 DM haben die Kläger zu 1) und zu 2) erfolglos im Verwaltungsrechtswege geklagt. Auf das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. März 1995 sowie des Oberverwaltungsgerichts vom 8. August 1996 wird hingewiesen (Az.: 1 K 2045/93 TR).

Die Kläger haben vorgetragen:

Die Überflutung am 6. Juli 1991 sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte zu 1) die Verrohrung im Jahre 1973 vorgenommen und die Rohre zu gering dimensioniert habe. Der Bach trete jährlich mindestens einmal über die Ufer und überschwemme das umliegende Wiesengelände. Wegen des Hochwassers im Jahre 1961 und der Überschwemmung im Jahre 1975 habe man damit rechnen müssen, dass die G.straße erneut überflutet werde. Die im Jahr 1973 vorgenommene Ausbaumaßnahme sei auch deshalb rechtswidrig, weil weder eine Planfeststellung vorgenommen worden sei, noch eine wasserrechtliche Genehmigung vorliege. Der Gebäudeschaden belaufe sich auf 240.651,20 DM und der Schaden an den Gegenständen betrage 136.691,79 DM (Bl. 11 – 56, 170, 171 GA).

Die Kläger haben beantragt:

  1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an sie, Kläger zu 1) und zu 2), 337.342,99 DM zu zahlen nebst 10 % Zinsen seit dem 4. September 1991.
  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihnen, Klägern, Schadensersatz zu leisten für sämtliche Schäden, die durch die Überschwemmung am 6. und 7. Juli 1991 entstanden sind und die Kläger von sämtlichen Regressansprüchen Dritter freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Kla...

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