Leitsatz (amtlich)
1.
Maßgebend für die Auslegung eines Straftatbestands ist in erster Linie der für den Adressaten erkennbare und verstehbare Wortlaut.
2.
Der Wille des Gesetzgebers ist unerheblich, wenn dessen Wortwahl nicht (mehr) geeignet ist, dem Normadressaten diesen Willen zu vermitteln.
3.
Unterliegt ein vom Gesetzgeber gewählter Begriff einem durchgreifenden Bedeutungswandel, ist nicht das individuelle Verständnis einzelner Verfahrensbeteiligter, sonder allein der objektivierte Sinngehalt maßgeblich.
4.
Der objektive Sinngehalt ergibt sich aus Publikationen, die den Sprachgebrauch sowohl wiederspieglen als auch prägen. Das sind neben Schulbüchern insbesondere die aktuellen Standardnachschlagewerke des Verlages FA Brockhaus und des Bibliographischen Instituts ("Duden"), deren Erläuterungen wiederum die Grundlage nicht-wissenschaftlicher Veröffentlichungen aller Art bilden.
5.
Jedenfalls im Jahre 2004 unterfielen psilocybin- und/oder psilocinhaltige Pilze (Magic Mushrooms, Zauberpilze) nicht mehr dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittel(straf)rechts.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 20.06.2005; Aktenzeichen 2090 Js 24221/04) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 20. Juni 2005 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens, einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten, fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
1.
Durch Urteil des Amtsgerichts Linz vom 6. Oktober 2004 wurde der Angeklagte - unter Freisprechung im übrigen - wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmittel zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt.
Auf die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat die 6. kleine Strafkammer am 20. Juni 2005 das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Drogeneinfluß zu einer Geldbuße und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Die weitergehenden Rechtsmittel hat sie verworfen.
2.
Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zum Tatgeschehen zugrunde:
"Am 9. April 2004 war der Angeklagte mit einem von ihm geführten PKW der Marke Opel Omega in Begleitung einer Beifahrerin auf dem Weg von den Niederlanden nach Süddeutschland. Im Kofferraum des Fahrzeugs führte er sechs Plastikbehälter (à 30 Gramm) mit frischen Pilzen des Typs "magic mushrooms San Isidoro" und sechs weitere Plastikbehälter (à 15 Gramm) mit frischen Pilzen des Typs "magic mushrooms Philosopher Stones" mit, die alle in einem Karton gelagert waren und mittels zweier Kühl-Akkus gekühlt wurden. Diese Pilze, die als solche nach ihrem äußerem Erscheinungsbild (Fruchtkörper mit Stiel und Hut bzw. hutähnliche Gebilde, keine Pilzmycelien) für den Betrachter unzweifelhaft erkennbar waren, führte der Angeklagte am 9. April 2004 von den Niederlanden in die Bundesrepublik ein. Die Pilze des Typs "Philosopher Stones" enthielten keine Betäubungsmittel; die Pilze des Typs "San Isidoro" enthielten ca. 60 mg des Wirkstoffs "Psilocin", was ca. zehn Konsumeinheiten entspricht. Der Angeklagte ging davon aus, dass sämtliche von ihm eingeführten Pilze den Wirkstoff "Psilocin" enthielten; er wusste, dass dieser berauschende Wirkung hat. Er war allerdings der Auffassung, dass der Umgang mit entsprechenden Pilzen in der Bundesrepublik Deutschland nach dem damals geltenden Betäubungsmittelrecht - mangels einer entsprechenden Regelung - straflos sei. Er beabsichtigte die Pilze kostenlos an Verwandte und Bekannte, u. a. an seine Mutter und seine Großmutter, weiterzugeben, damit diese einen Eindruck vom Gegenstand seiner beruflichen Tätigkeit, aber auch von der Wirkung dieser Pilze, erhalten sollten.
Am frühen Abend des 9. April 2004 gegen 18.30 Uhr wurde der von dem Angeklagten geführte PKW im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle auf der Bundesautobahn A . in Richtung F... im Bereich der Rastanlage F... (Gemarkung N...) durch Beamte der Polizeiautobahnstation F... angehalten. Bei der Durchsuchung des PKW wies der Angeklagte freiwillig auf die mitgeführten und nicht versteckt aufbewahrten Pilze hin und gab gegenüber den Polizeibeamten auch den oben genannten Verwendungszweck an.
Bei dem Angeklagten wurden bei der Überprüfung durch die Polizeibeamten glasige, wässrige und erweiterte Pupillen festgestellt. Er hatte am 7. oder 8. April 2004 Marihuana geraucht und den PKW Omega am 9. April 2004 von den Niederlanden bis zur Kontrolle des Fahrzeugs in F... auf öffentlichen Straßen unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis geführt. Eine am 9. April 2004 um 19.45 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen THC-Gehalt von 2,2 ng/ml im Blut. Der Angeklagte hatte bewusst Cannabis konsumiert, wobei ihm die berauschende Wirkung dieses Mittels bekannt war. Er führte die Fahrt mit dem PKW auf öffentlichen Straßen auch in dem Bewusstsein durch, dass er noch unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels stehen könnte, dies nahm er zumindest billigend in Kauf."
D...